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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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(frz.) Man kann eifersüchtig sein, aber in diesem Grade, das ist höchst lächerlich.
     

16
     
    D arja Alexandrowna führte ihre Absicht aus und fuhr zu Anna. Es tat ihr sehr leid, daß sie damit ihre Schwester verletzte und etwas tat, was deren Mann unangenehm war; sie sagte sich selbst, daß Ljewin und seine Frau durchaus richtig handelten, wenn sie keinerlei Beziehungen mit Wronski zu haben wünschten. Aber anderseits hielt sie es für ihre Pflicht, Anna zu besuchen und ihr zu zeigen, daß ihre Gefühle gegen sie trotz ihrer veränderten Lage unverändert geblieben seien.
     
    Da Darja Alexandrowna bei dieser Fahrt dem Ljewinschen Ehepaar nicht gern etwas zu verdanken haben mochte, so schickte sie ins Dorf, um sich Pferde zu mieten. Aber als Ljewin davon erfuhr, kam er zu ihr und machte ihr Vorwürfe.
     
    »Warum meinst du denn, daß mir deine Besuchsreise unangenehm sei? Und wenn sie mir wirklich unangenehm wäre, so würde sie mir dadurch noch unangenehmer, wenn du nicht meine Pferde nimmst«, sagte er. »Du hattest mir doch gar nicht bestimmt gesagt, daß du hinfahren wolltest. Mietest du dir im Dorfe Pferde, so ist das erstens für mich peinlich, und zweitens, was die Hauptsache ist: die Leute übernehmen das, bringen dich aber nicht bis an dein Ziel. Ich habe Pferde, und wenn du mich nicht kränken willst, so benutze sie.«
     
    Darja Alexandrowna mußte sich fügen, und am festgesetzten Tage stellte Ljewin für seine Schwägerin ein Viergespann und die gleiche Zahl von Wechselpferden bereit. Er hatte die Tiere aus den Arbeits- und Reitpferden ausgesucht, und wenn sie auch nicht schön aussahen, so waren sie doch imstande, Darja Alexandrowna an einem Tage hinzubringen. Gerade jetzt, wo Ljewin sowohl für die Fürstin, die wieder abreiste, wie auch für die Hebamme Pferde nötig hatte, machte ihm die Sache Schwierigkeiten; aber um der Pflicht der Gastfreundschaft willen konnte er nicht zugeben, daß Darja Alexandrowna sich von anderswoher Pferde mietete; außerdem wußte er auch, daß die zwanzig Rubel, die seiner Schwägerin für diese Fahrt abverlangt worden waren, für sie sehr ins Gewicht fielen, und Darja Alexandrownas Geldangelegenheiten, die sich in recht übler Verfassung befanden, betrachteten Ljewin und seine Frau wie ihre eigenen.
     
    Auf Ljewins Rat fuhr Darja Alexandrowna noch vor Sonnenaufgang ab. Der Weg war gut, der Kaleschwagen bequem, die Pferde liefen munter, und auf dem Bock saß außer dem Kutscher noch an Stelle eines Dieners der Gutsschreiber, den ihr Ljewin zu größerer Sicherheit mitgegeben hatte. Darja Alexandrowna schlummerte ein und wachte erst wieder auf, als sie sich bereits dem Einkehrhause näherten, wo die Pferde gewechselt werden mußten.
     
    Sie trank bei demselben reichen Bauern Tee, bei dem Ljewin auf seiner Fahrt zu Swijaschski eingekehrt war, und unterhielt sich mit den Weibern über die Kinder und mit dem Alten über Graf Wronski, den dieser sehr lobte; dann fuhr sie um zehn Uhr weiter. Zu Hause hatte sie vor Sorgen um die Kinder niemals Zeit, ruhig zu denken. Dafür wimmelten nun jetzt auf dieser vierstündigen Fahrt alle die bisher zurückgehaltenen Gedanken plötzlich in ihrem Kopfe durcheinander, und sie überdachte wie nie zuvor ihr Leben in seinem ganzen Verlaufe und von den verschiedensten Seiten. Ihre Gedanken kamen ihr selbst sonderbar vor. Zuerst dachte sie an ihre Kinder; obgleich die Fürstin und namentlich Kitty (auf diese setzte sie das größere Vertrauen) ihr versprochen hatten, auf sie aufzupassen, beunruhigte sie sich dennoch um sie. ›Wenn nur Mascha nicht wieder dumme Streiche macht; wenn nur Grigori nicht von einem Pferde geschlagen wird, und wenn es nur mit Lillys Magenverstimmung nicht noch schlimmer wird.‹ Dann aber wurden die Fragen der Gegenwart von Fragen der nächsten Zukunft abgelöst. Sie dachte daran, daß sie in Moskau zum nächsten Winter eine neue Wohnung mieten müßten, daß für das Wohnzimmer die Anschaffung anderer Möbel erforderlich sei und daß sie ihrer ältesten Tochter einen Pelz machen lassen müsse. Dann traten ihr Fragen, die einer ferneren Zukunft angehörten, entgegen: wie sie die Kinder, wenn sie nun heranwüchsen, werde leiten können. ›Mit den Mädchen, das wird sich noch machen‹, dachte sie, ›wie aber mit den Knaben?‹
     
    ›Nun ja, ich beschäftige mich jetzt mit Grigori; aber das ist doch nur deshalb möglich, weil ich selbst jetzt gerade frei und durch keine Entbindung behindert bin. Auf Stiwa

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