Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Wäschestube, dann die Öfen neuester Bauart, dann Schiebewagen, auf denen sich alles Erforderliche auf dem Flur geräuschlos befördern ließ, und vieles andere. Swijaschski, als Sachkundiger auf allen Gebieten neuerer Vervollkommnungen, sprach über alles sein Urteil aus. Dolly war geradezu starr vor Staunen über alle diese ihr bisher völlig unbekannten Dinge und erkundigte sich, in dem Wunsche, alles zu verstehen, eingehend nach allem bei Wronski, dem ihre Anteilnahme sichtlich Freude bereitete.
»Ja, ich glaube, das wird in Rußland das einzige völlig tadellos eingerichtete Krankenhaus sein«, äußerte Swijaschski.
»Wird bei Ihnen nicht eine Abteilung für Wöchnerinnen vorhanden sein?« fragte Dolly. »Das ist auf dem Lande ein so dringendes Bedürfnis. Ich habe oft ...«
Trotz seiner Höflichkeit unterbrach Wronski sie.
»Es ist keine Entbindungsanstalt, sondern ein Krankenhaus und für alle Krankheiten mit Ausnahme der ansteckenden bestimmt«, sagte er. »Aber sehen Sie sich, bitte, einmal dies hier an!« Er rollte einen Fahrstuhl für Genesende, den er erst kürzlich hatte kommen lassen, zu Darja Alexandrowna heran. »Sehen Sie nur!« Er setzte sich in den Stuhl und begann ihn zu bewegen. »Nehmen wir den Fall: ein Kranker kann nicht gehen, er ist noch zu schwach oder fußkrank, braucht aber frische Luft; dann fährt er sich eben und macht auf diese Weise eine Spazierfahrt ...«
Darja Alexandrowna interessierte sich für alles, und alles gefiel ihr außerordentlich; am allermeisten aber gefiel ihr Wronski selbst mit seiner unverstellten, knabenhaften Begeisterung. ›Ja, er ist ein liebenswürdiger, guter Mensch‹, dachte sie mehrmals, während sie nicht auf das hörte, was er sagte, sondern ihn ansah und seinen Gesichtsausdruck prüfte und sich in Gedanken an Annas Stelle versetzte. Er gefiel ihr jetzt in seiner Lebhaftigkeit so sehr, daß es ihr verständlich wurde, wie Anna sich in ihn hatte verlieben können.
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1 (frz.) das ist ein so reizendes Familienleben, so wie es sich gehört. Ganz und gar wie bei den Engländern. Man versammelt sich morgens zum Frühstück und geht dann auseinander.
2 (frz.) Das wird vortrefflich werden.
3 (frz.) Eine Partie Rasentennis.
4 (frz.) Aber wir dürfen den armen Weslowski und Tuschkewitsch dort in dem Kahn nicht so lange warten lassen.
5 (frz.) Schulen sind dermaßen üblich geworden.
21
» N ein, ich glaube, die Fürstin wird müde sein, und die Pferde interessieren sie auch wohl nicht«, sagte Wronski zu Anna, die den Vorschlag gemacht hatte, nach dem Gestüt zu gehen, wo Swijaschski gern einen neuen Hengst sehen wollte. »Geht ihr beide nur hin; ich begleite die Fürstin nach Hause, und wir plaudern ein bißchen miteinander – wenn es Ihnen angenehm ist?« fügte er, zu Darja Alexandrowna gewendet, hinzu.
»Von Pferden verstehe ich allerdings nichts, und es wird mir eine große Freude sein«, erwiderte sie einigermaßen verwundert.
Sie merkte an Wronskis Gesicht, daß er etwas von ihr wollte. Sie hatte sich nicht geirrt. Sobald sie durch das Pförtchen wieder in den Garten getreten waren, blickte er nach der Richtung, wohin Anna gegangen war, und nachdem er sich überzeugt hatte, daß sie ihn und seine Begleiterin nicht mehr hören und sehen konnte, begann er:
»Sie haben gewiß erraten, daß mir daran lag, mit Ihnen zu reden.« Er sah sie mit lachenden Augen an. »Ich bin überzeugt, daß Sie wirklich Annas Freundin sind.« Er nahm den Hut ab, zog das Taschentuch hervor und fuhr sich damit über den schon recht kahlen Kopf.
Darja Alexandrowna antwortete nichts und sah ihn nur erschrocken an. Jetzt, wo sie mit ihm allein war, wurde ihr plötzlich bange zumute: seine lachenden Augen und dabei der ernste Ausdruck seines Gesichtes ängstigten sie.
Die verschiedenartigsten Vermutungen über das, was er wohl mit ihr zu besprechen vorhabe, gingen ihr in der Geschwindigkeit durch den Kopf. ›Er wird mich einladen, mit den Kindern zu längerem Besuche zu ihnen hierherzukommen, und ich werde es ihm abschlagen müssen; oder er wird mich bitten, für Anna in Moskau einen gesellschaftlichen Verkehr zu schaffen ... Oder will er von Wasenka Weslowski und seinem Verhältnis zu Anna reden? Oder vielleicht von Kitty, daß er sich ihr gegenüber schuldig fühlt?‹ Ihre Mutmaßungen gingen nur auf Unangenehmes; aber das, worüber er mit ihr sprechen wollte, erriet sie nicht.
»Sie haben
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