Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
für Kinder?« versetzte Anna, indem sie die Augen zusammenkniff und es vermied, Dolly anzusehen.
»Anny und die künftigen.«
»In der Hinsicht kann er ganz beruhigt sein; ich werde keine weiteren Kinder bekommen.«
»Wie kannst du das sagen, daß du keine mehr bekommen wirst? ...«
»Ich werde keine mehr bekommen, weil ich es nicht will.«
Und trotz all ihrer Aufregung mußte Anna lächeln, als sie den unverhohlenen Ausdruck von Neugier, Erstaunen und Schrecken auf Dollys Gesicht wahrnahm.
»Der Arzt hat mir nach meiner Krankheit gesagt ...«
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»Nicht möglich!« rief Dolly mit weit geöffneten Augen. Für sie war dies eine jener Enthüllungen, aus denen sich so gewaltige Folgerungen und Schlüsse ergeben, daß man im ersten Augenblick nur die Empfindung hat, man könne nicht gleich alles mit seinen Ge danken umfassen, werde aber darüber noch viel, viel nachzudenken haben.
Diese Enthüllung, durch die ihr auf einmal klar wurde, was ihr bisher unverständlich gewesen war, wie es nämlich zuging, daß in so vielen Familien nur ein oder zwei Kinder vorhanden waren, diese Enthüllung erweckte in ihr eine solche Menge von Gedanken, Vorstellungen und widerstreitenden Empfindungen, daß sie nicht imstande war, etwas zu sagen, und nur mit weit geöffneten Augen Anna erstaunt anblickte. Das war ja eben das, was sie sich in ihren Träumereien ausgemalt hatte; aber jetzt, wo sie erfuhr, daß so etwas möglich sei, erschrak sie heftig. Sie fühlte, daß dies denn doch eine allzu einfache Lösung einer so verwickelten Frage sei.
»Ist das nicht unrecht?« fragte sie nur, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte.
»Wieso? Überlege doch nur, ich habe die Wahl zwischen zwei Dingen: entweder schwanger, das heißt krank zu sein oder die Freundin und Genossin meines Mannes zu sein, der doch eben ein Mann ist«, sagte Anna in absichtlich oberflächlichem, leichtfertigem Tone.
»Nun ja, nun ja«, antwortete Darja Alexandrowna. Jetzt, wo sie dieselben Gründe, die sie sich selbst vorgeführt hatte, aus Annas Munde hörte, fand sie sie nicht mehr so beweiskräftig, wie sie sie früher gefunden hatte.
»Für dich und andere«, sagte Anna, wie wenn sie ihre Gedanken erriete, »kann es noch ein Bedenken geben, aber für mich ... Überlege doch, ich bin nicht seine Ehefrau; er liebt mich eben nur so lange, wie er mich liebt. Nun also, womit kann ich mir seine Liebe erhalten? Doch nur hiermit!«
Sie streckte ihre weißen Arme vor ihrem Leibe aus.
Mit großer Geschwindigkeit, wie das in Augenblicken starker Aufregung nicht selten ist, drängten sich Gedanken und Erinnerungen in Darja Alexandrownas Kopfe. ›Ich‹, dachte sie, ›habe Stiwa nicht an mich fesseln können; er ging von mir weg zu anderen, und jene erste, um deretwillen er mir untreu wurde, vermochte ihn dadurch, daß sie immer schön und heiter war, auch nicht festzuhalten. Er verließ sie und nahm eine andere. Sollte Anna wirklich imstande sein, den Grafen Wronski dadurch an sich zu fesseln und dauernd festzuhalten? Wenn sein Sinn auf dergleichen gerichtet ist, so wird er schon Frauen mit noch reizenderem Aussehen und mit noch muntrerem Wesen finden. Und wie weiß und schön auch ihre nackten Arme sein mögen, wie reizvoll ihre ganze üppige Gestalt, ihr erglühendes Gesicht, das aus diesem schwarzen Haarwuchs herausschaut: er wird immer noch etwas Besseres finden, wie mein abscheulicher, armer, lieber Mann immer sucht und findet.‹
Dolly antwortete nicht und seufzte nur. Anna bemerkte diesen Seufzer, in dem zum Ausdruck kam, daß Dolly anderer Ansicht war, und fuhr fort. Sie meinte noch so starke Gründe in Vorrat zu haben, daß sich darauf nichts würde antworten lassen.
»Du sagst, das sei nicht recht gehandelt? Aber man muß das ruhig erwägen«, fuhr sie fort. »Du vergißt meine Lage. Wie kann ich mir Kinder wünschen? Ich rede nicht von den körperlichen Leiden; die fürchte ich nicht. Aber sage selbst: was würden meine Kinder sein? Unglückliche Wesen, die einen fremden Namen tragen müßten. Ihre Geburt würde sie von vornherein in die Zwangslage versetzen, sich ihrer Mutter, ihres Vaters und ihrer Geburt zu schämen.«
»Aber ebendeswegen ist ja die Scheidung notwendig.«
Jedoch Anna hörte nicht auf das, was Dolly sagte. Ihr lag daran, all die Gründe
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