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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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dagegen gebe mich mit der Liebe ab, aber nur so weit, daß ich abends zu meiner Spielpartie nicht zu spät komme. Das ist meine Stellung zu dieser Sache.«
     
    »Aber nach dergleichen frage ich nicht, sondern nach etwas Wirklichem, Ernstem.« Sie wollte sagen »Helsingfors«; aber es widerstrebte ihr, das Wort zu gebrauchen, das Wronski ausgesprochen hatte.
     
    In diesem Augenblick trat Woitow ein, der einen Hengst kaufen wollte; Anna stand auf und verließ das Zimmer.
     
    Bevor Wronski von Hause wegfuhr, kam er noch einmal zu ihr. Sie wollte zuerst so tun, als suche sie etwas auf dem Tische; aber dann schämte sie sich einer solchen Heuchelei und schaute ihm mit einem kalten Blick gerade ins Gesicht.
     
    »Was wünschen Sie?« fragte sie ihn auf französisch.
     
    »Ich wollte Gambettas Stammbaum holen; ich habe ihn verkauft«, antwortete er in einem Tone, der klarer als alle Worte besagte: ›Ich habe keine Zeit zu weiteren Auseinandersetzungen, und es würde ja doch zu nichts führen.‹
     
    ›Ich fühle mich ihr gegenüber nicht schuldig‹, dachte er. ›Wenn sie sich selbst bestrafen will, um so schlimmer für sie.‹ Aber als er hinausging, war es ihm, als sagte sie etwas, und sein Herz zuckte plötzlich voll Mitleid mit ihr zusammen.
     
    »Was sagtest du, Anna?« fragte er.
     
    »Ich habe nichts gesagt«, antwortete sie ebenso kalt und ruhig wie vorher.
     
    ›Nun, wenn du nichts gesagt hast, dann um so schlimmer‹, dachte er, wieder kühl werdend, wandte sich um und ging weg. Beim Hinausgehen erblickte er im Spiegel ihr blasses Gesicht mit den zitternden Lippen. Er wollte stehenbleiben und ein tröstendes Wort zu ihr sagen; aber seine Füße hatten ihn aus dem Zimmer getragen, ehe er noch etwas hatte ausfindig machen können, was er ihr sagen konnte. Diesen ganzen Tag verlebte er außer dem Hause, und als er spät abends heimkehrte, meldete ihm das Mädchen, Anna Arkadjewna habe Kopfschmerzen und lasse ihn bitten, nicht zu ihr zu kommen.
     

26
     
    N och nie hatte bei ihnen ein Streit einen ganzen Tag gedauert. Heute war dies zum ersten Male geschehen. Und das war nicht ein bloßer Streit gewesen, sondern ein offenes Bekenntnis völliger Erkaltung. Wie hatte er nur, fragte sich Anna, es fertigbringen können, sie so anzublicken, wie er sie angeblickt hatte, als er ins Zimmer gekommen war, um den Stammbaum zu holen? Sie anzublicken, zu sehen, daß ihr das Herz vor Verzweiflung brach, und schweigend mit diesem gleichmütigen, ruhigen Gesicht hinauszugehen? Er war nicht nur kalt gegen sie, sondern er haßte sie, weil er eine andere Frau liebte; das war sonnenklar, dachte Anna.
     
    Und während sie sich alle die grausamen Worte ins Gedächtnis zurückrief, die er gesagt hatte, dachte sie sich dazu noch Worte aus, die er offenbar hatte sagen wollen und zu sagen fähig gewesen war, und geriet immer mehr und mehr in Erregung.
     
    ›Ich halte Sie nicht‹, hätte er sagen können. ›Sie können gehen, wohin Sie wollen. Sie haben sich von Ihrem Manne wahrscheinlich deswegen nicht scheiden lassen wollen, um nötigenfalls zu ihm zurückkehren zu können. Nun, kehren Sie also zu ihm zurück! Wenn Sie Geld brauchen, will ich Ihnen welches geben. Wieviel Rubel brauchen Sie?‹
     
    Die grausamsten Worte, die ein roher Mensch nur überhaupt hätte sagen können, ließ sie ihn in ihrer Einbildung zu ihr sagen und verzieh sie ihm nicht, wie wenn er sie wirklich gesagt hätte.
     
    ›Aber hat er mir nicht erst gestern noch seine Liebe beteuert? Und er ist doch ein wahrheitsliebender, ehrenhafter Mann. Habe ich mich nicht schon oft unnötigerweise der Verzweiflung überlassen?‹ sagte sie sich trotzdem bald darauf.
     
    Diesen ganzen Tag, mit Ausnahme einer zwei Stunden in Anspruch nehmenden Fahrt zu der Schneiderin Wilson, verbrachte Anna in Zweifeln, ob alles zu Ende sei oder noch Hoffnung auf eine Aussöhnung bestehe, und ob sie sofort wegfahren oder noch einmal mit ihm sprechen solle. Sie wartete den ganzen Tag auf ihn, und als sie am Abend auf ihr Zimmer ging und Befehl gab, ihm zu melden, daß sie Kopfschmerzen habe, suchte sie in folgender Weise ins klare zu kommen: ›Wenn er trotz der Meldung des Mädchens kommt, so bedeutet das, daß er mich noch liebt. Kommt er nicht, so bedeutet das, daß alles zu Ende ist, und dann werde ich mich entscheiden, was ich zu tun habe! ...‹
     
    Sie hörte am Abend das Geräusch, als sein Wagen vorfuhr und hielt, sein Klingeln, seine Schritte, und wie er mit dem

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