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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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grämen.‹ Ein regungslos verharrendes Lächeln des Mitleids mit sich selbst lag auf ihrem Gesichte, während sie so auf dem Lehnsessel saß und die Ringe von ihrer linken Hand abstreifte und wieder ansteckte und sich Wronskis verschiedenartige Empfindungen nach ihrem Tode lebhaft vorstellte.
     
    Schritte, die sich näherten, seine Schritte, ließen sie ihren Gedankengang unterbrechen. Wie wenn das Ordnen der Ringe ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nähme, wandte sie sich nicht einmal nach ihm um.
     
    Er trat zu ihr heran, faßte sie bei der Hand und sagte leise:
     
    »Anna, wir wollen übermorgen reisen, wenn du es so wünschst. Ich bin mit allem einverstanden.«
     
    Sie schwieg.
     
    »Ist es dir recht?« fragte er.
     
    »Du weißt es ja alles selbst«, antwortete sie, und in demselben Augenblicke brach sie, unfähig länger an sich zu halten, in Schluchzen aus:
     
    »Sage dich von mir los! Verlaß mich!« brachte sie unter Tränen hervor. »Ich will morgen von dir weg ... Ich will noch mehr tun. Was bin ich? Ein sittenloses Weib. Ein Stein an deinem Halse. Ich will dich nicht länger quälen, nein, ich will es nicht! Ich werde dich von mir befreien. Du liebst mich nicht mehr, du liebst eine andere!«
     
    Wronski flehte sie an, sich zu beruhigen, und beteuerte ihr, daß für sie auch nicht ein Schatten von Grund zur Eifersucht vorhanden sei, daß er nie aufgehört habe und nie aufhören werde, sie zu lieben, und sie mehr liebe als je vorher.
     
    »Anna, warum quälst du in dieser Weise dich und mich?« sagte er und küßte ihre Hände. Seine Miene drückte jetzt Zärtlichkeit aus, und Anna glaubte an seiner Stimme zu hören, daß ihm die Tränen kamen, und fühlte sie feucht auf ihrer Hand. Und in einem Augenblicke ging Annas rasende Eifersucht in rasende, leidenschaftliche Zärtlichkeit über; sie umarmte ihn und bedeckte sein Gesicht, seinen Hals, seine Hände mit Küssen.
     

25
     
    I n dem Gefühl, daß die Aussöhnung vollständig gewesen sei, machte sich Anna am folgenden Morgen mit lebhaftem Eifer an die Vorbereitungen zur Abreise. Obgleich noch nicht entschieden war, ob sie am Sonntag oder am Montag reisen würden, da am vorhergehenden Tage jeder dem anderen hatte nachgeben wollen, so machte sich Anna doch vollständig zur Abreise fertig; indessen war es ihr jetzt ganz gleichgültig, ob sie einen Tag früher oder später reisten. Sie stand in ihrem Zimmer über eine geöffnete Truhe gebeugt und ordnete die darin befindlichen Sachen, als er, schon völlig angekleidet, früher als gewöhnlich bei ihr eintrat.
     
    »Ich fahre jetzt gleich zu maman; sie kann mir das Geld durch Jegor schicken. Dann kann ich morgen abreisen«, sagte er.
     
    So gut auch Annas Stimmung war, so fühlte sie bei seiner Mitteilung, daß er nach dem Landhause fahre, doch einen Stich im Herzen.
     
    »Nein, ich werde bis dahin mit dem Packen selbst nicht fertig«, antwortete sie und dachte im selben Augenblicke: ›Also war es doch möglich, es mit der Abreise so einzurichten, wie ich wünschte.‹ – »Nein«, sprach sie weiter, »mach es nur so, wie du gewünscht hattest. Geh ins Eßzimmer; ich komme auch gleich; ich möchte nur noch diese unnützen Sachen herausnehmen.« Und dabei legte sie ihrer Annuschka, die schon einen ganzen Berg von allerlei Zeug auf dem Arme liegen hatte, noch etwas oben darauf.
     
    Wronski war dabei, sein Beefsteak zu essen, als sie ins Eßzimmer trat.
     
    »Du glaubst gar nicht, wie mir diese Zimmer zuwider geworden sind«, sagte sie und setzte sich neben ihn zu ihrem Kaffee. »Es gibt nichts Schrecklicheres als diese möblierten Zimmer. Sie haben so gar kein eigenes Gesicht, keine Seele. Diese Uhr, diese Vorhänge und namentlich diese Tapeten wirken auf mich geradezu wie ein beängstigender Traum. Ich sehne mich nach Wosdwischenskoje wie nach dem Gelobten Lande. Schickst du die Pferde noch nicht weg?«
     
    »Nein, die will ich nachkommen lassen. Hast du hier in Moskau noch irgendwelche Wege zu machen?«
     
    »Ich wollte noch zu der Wilson fahren; ich muß ihr einige Kleider bringen. Also reisen wir bestimmt morgen?« fragte sie in heiterem Tone; aber auf einmal veränderte sich der Ausdruck ihres Gesichtes.
     
    Wronskis Kammerdiener kam herein und bat um die Empfangsbescheinigung für ein Telegramm aus Petersburg. Es war an sich nichts Besonderes an der Tatsache, daß Wronski ein Telegramm erhalten hatte; aber es klang, als wenn er ihr etwas zu verbergen suchte, als er antwortete, die

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