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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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ging, hörte sie, daß vor der Haustür ein Wagen anhielt; sie sah durch das Fenster und erblickte eine Kutsche, aus der sich ein junges Mädchen mit einem lila Hut herausbeugte; das junge Mädchen rief dem Diener, der die Klingel zog, einen Befehl zu. Nachdem im Hausflur ein paar Worte gewechselt waren, kam jemand herauf, und in dem an das Besuchszimmer anstoßenden Raum wurden Wronskis Schritte vernehmbar. Er ging eilig die Treppe hinab. Anna trat wieder ans Fenster. Da kam er ohne Hut aus der Haustür heraus und trat zum Wagen. Das junge Mädchen mit dem lila Hut überreichte ihm ein Päckchen. Wronski sagte lächelnd einige Worte zu ihr. Der Wagen fuhr davon, und Wronski ging rasch wieder ins Haus zurück und stieg die Treppe hinauf.
     
    Der Nebel, der in ihrer Seele alles bedeckt hatte, teilte sich plötzlich. Die gestrigen Gefühle preßten ihr mit neuem Schmerz das kranke Herz zusammen. Sie konnte jetzt nicht begreifen, wie sie sich hatte so weit entwürdigen können, nach dem Streit noch einen ganzen Tag mit ihm in seinem Hause zuzubringen. Sie trat zu ihm ins Zimmer, um ihm ihren Entschluß mitzuteilen.
     
    »Da kam eben die Fürstin Sorokina mit ihrer Tochter vorgefahren und brachte mir von maman das Geld und die Papiere. Ich hatte sie gestern noch nicht bekommen können. Was macht dein Kopf? Geht es besser?« fragte er in ruhigem Ton; den düsteren, feierlichen Ausdruck ihres Gesichts wollte er nicht sehen und nicht verstehen.
     
    Mitten im Zimmer stehend, blickte sie ihn stumm und unverwandt an. Er schaute nach ihr hin, machte für einen Augenblick ein finsteres Gesicht und fuhr dann fort, den Brief, den er erhalten hatte, zu lesen. Sie wandte sich um und ging langsam zur Tür. Noch konnte er sie zurückrufen; aber sie war schon bis zur Tür gelangt, und er schwieg immer noch, und es war nichts zu hören als das knisternde Geräusch beim Umwenden des Blattes.
     
    »Ja, was ich noch sagen wollte«, sagte er in dem Augenblick, als sie schon in der Tür war, »es ist doch endgültig, daß wir morgen reisen? Nicht wahr?«
     
    »Sie mögen wohl reisen, aber nicht ich«, erwiderte sie, sich ihm zuwendend.
     
    »Anna, so können wir nicht weiterleben ...«
     
    »Sie mögen wohl reisen, aber nicht ich«, sagte sie noch einmal.
     
    »Das wird unerträglich!«
     
    »Sie ... Sie werden es bereuen«, sagte sie und ging hinaus.
     
    Erschrocken über den Ausdruck von Verzweiflung, mit dem sie diese Worte gesprochen hatte, sprang er auf und wollte ihr nacheilen; aber er besann sich und setzte sich mit fest zusammengepreßten Zähnen und gerunzelter Stirn wieder hin. Diese, wie er fand, unpassende Drohung mit irgend etwas empörte ihn. ›Ich habe alles mögliche versucht‹, dachte er. ›Es bleibt nur noch ein Mittel übrig: sich nicht darum zu kümmern.‹ Darauf machte er sich fertig, um in die Stadt und noch einmal zu seiner Mutter zu fahren, von der er sich noch die Unterschrift unter die Kreditbriefe geben lassen mußte.
     
    Sie hörte den Schall seiner Schritte in seinem Arbeitszimmer und im Eßzimmer. An der Tür des Besuchszimmers blieb er stehen. Aber er kam nicht zu ihr zurück, sondern gab nur Befehl, den Hengst in seiner Abwesenheit Woitow zu übergeben. Dann hörte sie, wie der Wagen vorfuhr, wie die Haustür geöffnet wurde und er hinausging. Aber da kam er wieder in den Flur zurück, und es lief jemand die Treppe hinauf. Es war der Kammerdiener, der die vergessenen Handschuhe holte. Sie trat ans Fenster und sah, wie er ohne hinzublicken die Handschuhe nahm, den Kutscher am Rücken berührte und ihm etwas sagte. Dann setzte er sich, ohne einen Blick nach den Fenstern zu werfen, in seiner gewöhnlichen Haltung, das eine Bein über das andere geschlagen, im Wagen zurecht und verschwand, mit dem Anziehen des einen Handschuhs beschäftigt, hinter der nächsten Straßenecke.
     

27
     
    › E r ist weggefahren! Es ist alles aus!‹ sagte sich Anna, die am Fenster stand, und infolge einer eigenartigen Gedankenverbindung flossen mit diesem jähen Schmerz die Erinnerung an die Finsternis nach dem Erlöschen der Kerze und der Gedanke an den furchtbaren Traum in eins zusammen, und ihr Herz wurde von kaltem Entsetzen erfüllt.
     
    »Nein, das kann nicht sein!« schrie sie auf, schritt hastig durch das Zimmer und klingelte stark. Es war ihr jetzt ein so ängstliches Gefühl, allein zu sein, daß sie, ohne das Herbeikommen des Dieners abzuwarten, ihm entgegenging.
     
    »Erkundigen Sie sich, wohin der

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