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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Das Verhalten der beiden Leute war zwar nicht
    löblich, aber über die Arbeiter wurde Ljewin nur selten zornig. Als Wasili herankam, befahl ihm Ljewin, das Pferd
    und den Wagen auf den Rain zu führen.
    »Das tut nichts, gnädiger Herr«, erwiderte Wasili. »Das wächst wieder zu.«
    »Bitte, rede nicht erst, sondern tu, was dir gesagt wird«, entgegnete Ljewin.
    »Zu Befehl«, antwortete Wasili und faßte das Pferd am Kopfe. »Aber die Kleesaat, Konstantin Dmitrijewitsch«,
    sagte er, um sich bei diesem wieder in Gunst zu setzen, »die Kleesaat ist diesmal allerbeste Sorte. Nur das Gehen
    auf dem Acker ist noch schauderhaft! Ein Pud Ackerboden schleppt man an jedem Schuh mit.«
    »Warum ist denn euere Erde nicht gesiebt?« fragte Ljewin.
    »Ach, wir zerdrücken sie«, antwortete Wasili, nahm einen Klumpen mit Samen vermischter Erde und zerrieb ihn
    zwischen den Handflächen.
    Wasili konnte ja nichts dafür, daß man ihm ungesiebte Erde auf den Wagen geschüttet hatte, aber ärgerlich blieb
    die Sache darum doch.
    Ljewin hatte schon öfters mit gutem Erfolg ein ihm bekanntes Mittel angewandt, um seinen Ärger zu unterdrücken
    und alles, was ihm schlecht erschien, wieder gut erscheinen zu lassen, und dieses Mittels bediente er sich auch
    jetzt. Er sah ein Weilchen zu, wie Michail dahinschritt, gewaltige Erdklumpen mit sich schleppend, die ihm an jedem
    Fuße klebten; dann stieg er vom Pferde, nahm Wasili den Saatkorb ab und machte sich selbst daran, zu säen.
    »Wo hast du aufgehört?«
    Wasili zeigte auf ein mit dem Fuß gemachtes Merkzeichen, und Ljewin ging und streute die mit Samen vermischte
    Erde aus, so gut er es verstand. Es ging sich mühsam wie in einem Sumpfe, und als Ljewin eine Furche abgeschritten
    hatte, war er stark in Schweiß geraten; er blieb stehen und gab den Saatkorb wieder ab.
    »Na, gnädiger Herr, aber wegen dieser Furche dürfen Sie mich im Sommer nicht schelten«, sagte Wasili.
    »Wieso?« fragte Ljewin ganz vergnügt; er spürte schon die Wirkung des angewandten Mittels.
    »Sehen Sie sie nur im Sommer an. Sie wird abstechen. Sehen Sie sich nur mal an, wo ich im vorigen Frühjahr gesät
    habe. Wie gleichmäßig habe ich es verteilt! Ich gebe mir ja für Sie Mühe, Konstantin Dmitrijewitsch, wie wenn Sie
    mein leiblicher Vater wären. Es widersteht mir selbst, schlecht zu arbeiten, und ich sage auch immer den anderen,
    sie sollen das nicht tun. Wenn's dem Herrn gut geht, dann geht es auch uns gut. Wenn man dahin blickt«, sagte
    Wasili und wies dabei nach dem Felde, »dann lacht einem das Herz.«
    »Ja, es ist ein schönes Frühjahr, Wasili.«
    »So ein Frühling, – die ältesten Leute können sich auf so einen nicht besinnen. Ich war neulich zu Hause, da hat
    unser Alter auch drei Osminnik Weizen gesät. Aber der ist von Roggen nicht zu unterscheiden.«
    »Habt ihr schon lange angefangen, Weizen zu säen?«
    »Sie haben es uns ja im vorvorigen Sommer gelehrt; Sie haben mir zwei Maß Weizen geschenkt. Ein Viertel davon
    haben wir verkauft, und drei Osminnik haben wir gesät.«
    »Na, gib also recht acht und zerreibe die Klumpen ordentlich!« sagte Ljewin und ging wieder zu seinem Pferde.
    »Und paß auch auf Michail auf! Wenn die Saat gut kommt, sollst du für jede Deßjatine fünfzig Kopeken haben.«
    »Danke ergebenst! Wir können ja auch so schon mit Ihnen sehr zufrieden sein, möchte ich meinen.«
    Ljewin stieg aufs Pferd und ritt auf das Feld, wo der vorjährige Klee stand, und auf das, das mit dem Pfluge für
    den Sommerweizen bereitgemacht war.
    Der Klee auf dem Stoppelfelde war sehr gut herausgekommen. Er war schon ganz aufgelebt und zeigte ein kräftiges
    Grün zwischen den zerknickten vorjährigen Weizenstengeln. Das Pferd sank bei jedem Tritte bis an die Fesseln ein,
    und jeder seiner Füße schmatzte, wenn er aus der halb aufgetauten Erde herausgezogen wurde. Auf dem gepflügten
    Acker war es überhaupt nicht möglich, zu reiten; der Boden trug nur da, wo noch etwas Eis lag; aber in den
    aufgetauten Furchen versank der Fuß des Pferdes bis über die Fesseln. Das Ackerfeld sah vorzüglich aus; Ljewin
    sagte sich, in zwei Tagen werde geeggt und gesät werden können. Alles war schön, alles war heiter. Zurück
    beabsichtigte Ljewin durch den Bach zu reiten, da er hoffte, das Wasser werde schon so weit gefallen sein. Und in
    der Tat konnte er hindurchreiten und scheuchte dabei zwei Enten auf. ›Da müßten ja auch die Waldschnepfen schon da
    sein‹, dachte er, und wie gerufen,

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