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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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große
    Freude. Wie immer hatte sich bei ihm in der Zeit seiner Einsamkeit eine ganze Menge von Gedanken und Gefühlen
    angesammelt, über die er mit den Menschen, die er auf seinem Gute um sich hatte, nicht sprechen konnte, und nun
    schüttete er vor Stepan Arkadjewitsch sein ganzes Herz aus: seine poetische Freude über den Frühling, und was ihm
    in der Wirtschaft mißlungen sei und was er plane, und seine eigenen Gedanken und seine Bemerkungen über die Bücher,
    die er gelesen hatte, und besonders setzte er ihm die Tendenz seiner Abhandlung auseinander, deren Grundgedanke,
    ohne daß er sich dessen selbst bewußt geworden wäre, auf eine Kritik aller älteren Schriften über Landwirtschaft
    hinauslief. Stepan Arkadjewitsch, der auch sonst immer liebenswürdig war und alles auf eine bloße Andeutung hin
    begriff, legte seine Liebenswürdigkeit bei diesem Besuche in besonderem Maße an den Tag, und Ljewin bemerkte an ihm
    noch etwas Neues, wodurch er sich sehr geschmeichelt fühlte, nämlich eine gewisse Hochachtung und sozusagen
    Zärtlichkeit seines Gastes ihm gegenüber.
    Die Bemühungen Agafja Michailownas und des Kochs, das Mittagessen besonders gut zu gestalten, hatten nur zur
    Folge, daß die beiden hungrig gewordenen Freunde sich zu den Vorspeisen hinsetzten und tüchtig Butterbrot,
    Gänsebrust und eingemachte Pilze aßen, und ferner, daß Ljewin befahl, die Suppe ohne die noch nicht fertigen
    Pastetchen aufzutragen, mit denen der Koch den Gast ganz besonders hatte in Erstaunen setzen wollen. Aber Stepan
    Arkadjewitsch fand alles ausgezeichnet, obwohl er an ganz andere Diners gewöhnt war: den Kräuterschnaps und das
    Brot und die Butter und besonders die Gänsebrust und die Pilze und die Nesselsuppe und das Huhn mit weißer Sauce
    und den weißen Krimwein; alles lobte er als vortrefflich und wundervoll.
    »Ausgezeichnet, ausgezeichnet!« sagte er, als er sich nach dem Braten eine dicke Zigarre anzündete. »Es ist mir
    hier bei dir zumute, als ob ich aus einem Dampfer mit seinem Lärm und Gerüttel an einem stillen Ufer ausgestiegen
    wäre. – Also du meinst, wir müssen den Arbeiter selbst, als ein sehr wesentliches Element, studieren und uns
    dadurch bei der Wahl unserer landwirtschaftlichen Methoden leiten lassen. Ich bin ja auf diesem Gebiete Laie, aber
    ich möchte doch meinen, daß umgekehrt die theoretische Wissenschaft und ihre praktische Anwendung auch ihrerseits
    einen Einfluß auf den Arbeiter haben werden.«
    »Ja, aber warte einmal: ich rede nicht von der Nationalökonomie, sondern von der wissenschaftlichen
    Landwirtschaft. Sie muß, in der Art der Naturwissenschaft, die tatsächlich vorhandenen Erscheinungen beobachten und
    muß den Arbeiter mit seinem ökonomischen, ethnographischen ...«
    In diesem Augenblick kam Agafja Michailowna mit eingemachten Früchten herein.
    »Na aber, Agafja Fedorowna«, sagte Stepan Arkadjewitsch zu ihr, indem er die Spitzen seiner fleischigen Finger
    küßte, »was für eine vorzügliche Gänsebrust und für einen ausgezeichneten Kräuterschnaps gibt es bei Ihnen! – Aber
    wie steht's, Konstantin, ist es Zeit?« fügte er hinzu.
    Ljewin blickte durch das Fenster nach der Sonne, die bereits hinter die kahlen Baumwipfel des Waldes
    hinabsank.
    »Jawohl, es ist Zeit!« sagte er. »Kusma, laß den Jagdwagen anspannen!« Damit lief er auch schon hinunter.
    Als Stepan Arkadjewitsch gleichfalls hinuntergegangen war, nahm er selbst mit großer Sorgfalt den
    Segeltuchüberzug von dem lackierten Kasten ab, öffnete diesen und begann sein wertvolles Gewehr neuester
    Konstruktion instand zu setzen. Kusma, der schon ein großes Trinkgeld witterte, wich dem Gaste nicht von der Seite
    und zog ihm Strümpfe und Stiefel an, wobei Stepan Arkadjewitsch ihn gern gewähren ließ.
    »Ordne doch an, Konstantin, wenn der Händler Rjabinin kommen sollte – ich habe ihm geschrieben, er möchte heute
    herkommen –, daß deine Leute ihn hereinkommen lassen und ihm sagen, er solle auf mich warten.«
    »Willst du etwa an Rjabinin deinen Wald verkaufen?«
    »Ja. Kennst du den Mann etwa?«
    »Gewiß kenne ich ihn. Ich habe mit ihm zu tun gehabt, positiv und effektiv.«
    Stepan Arkadjewitsch lachte. Positiv und effektiv waren Lieblingsausdrücke des Händlers.
    »Ja, er hat eine ganz wunderliche, komische Redeweise. – Sieh mal, sie hat verstanden, wohin ihr Herr gehen
    will«, fügte er hinzu und tätschelte mit der Hand die Hündin Laska, die sich winselnd an Ljewin schmiegte und

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