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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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gar zu nervöse Frou-Frou hatte den ersten Augenblick verpaßt, und mehrere Pferde hatten
    gleich vom Start an einen Vorsprung vor ihr; aber noch ehe sie das Flüßchen erreicht hatten, überholte Wronski, der
    mit aller Kraft das sich in die Zügel legende Pferd zurückhielt, mit Leichtigkeit drei seiner Vordermänner, und vor
    ihm blieb nur noch Machotins Fuchs Gladiator übrig, dessen Hinterteil unmittelbar vor Wronski leicht und
    gleichmäßig auf und nieder ging, und dann allen voraus die entzückende Diana, die den halb lebenden, halb toten
    Kusowlew trug.
    In den ersten Augenblicken hatte Wronski weder sich noch sein Pferd in seiner Gewalt. Bis zum ersten
    Hindernisse, dem Flüßchen, war er nicht imstande, die Bewegungen seines Pferdes zu bestimmen.
    Gladiator und Diana kamen zusammen dort an; fast im gleichen Augenblick richteten sie sich an dem Flüßchen auf
    und flogen nach der anderen Seite hinüber; sanft und unmerklich, als wenn sie flöge, schwang sich hinter ihnen
    Frou-Frou in die Höhe; aber in demselben Augenblicke, da Wronski sich in der Luft fühlte, erblickte er plötzlich,
    fast unter den Füßen Frou-Frous, Kusowlew, der sich mit seiner Diana am anderen Ufer des Flüßchens auf dem Boden
    wälzte. Kusowlew hatte nach dem Sprunge die Zügel fahren lassen, und das Pferd hatte sich mit ihm überschlagen.
    Diese Einzelheiten erfuhr Wronski erst später; jetzt sah er nur, daß gerade unter Frou-Frous Füße, da, wo sie
    hintreten mußte, ein Bein oder der Kopf von Diana zu liegen kommen mußte. Aber Frou-Frou machte wie eine fallende
    Katze während des Sprunges eine kräftige Bewegung mit den Beinen und dem Rücken, wodurch sie einen Zusammenstoß mit
    dem anderen Pferde vermied, und jagte weiter.
    ›O du mein liebes Tierchen!‹ dachte Wronski.
    Hinter dem Flüßchen hatte Wronski sein Pferd völlig in der Gewalt und begann es zurückzuhalten, da er
    beabsichtigte, die große Hürde erst nach Machotin zu nehmen und erst auf der folgenden, hindernisfreien Strecke von
    etwa vierhundert Metern zu versuchen, ob er ihn nicht überholen könne.
    Die große Hürde stand unmittelbar vor der kaiserlichen Loge. Der Kaiser, der ganze Hof und die Volksmenge
    blickten nach ihnen, nach ihm und dem eine Pferdelänge vor ihm dahinjagenden Machotin, als sie sich dem Teufel (so
    wurde die feste Hürde genannt) näherten. Wronski fühlte diese Blicke, die sich von allen Seiten auf ihn richteten,
    aber er sah nichts als die Ohren und den Hals seines Pferdes und den Erdboden, der ihm scheinbar entgegengelaufen
    kam, und die Kruppe und die weißen Füße Gladiators, die schnell und taktmäßig vor ihm auf und nieder gingen und
    immer in derselben Entfernung von ihm blieben. Gladiator hob sich in die Höhe, sprang, ohne anzuschlagen, schwenkte
    den kurzen Schweif und entschwand Wronskis Blicken.
    »Bravo!« rief eine Stimme.
    In demselben Augenblick tauchten vor Wronskis Augen, unmittelbar vor ihm, die Bretter der Hürde auf. Ohne die
    geringste Veränderung seiner Bewegung hob sich das Pferd unter seinem Reiter in die Höhe, die Bretter verschwanden,
    und nur hinter sich hörte Wronski etwas anschlagen. Aufgeregt durch den voransprengenden Gladiator, hatte sich das
    Pferd vor der Hürde zu früh gehoben und mit einem Hinterfuße dagegen geschlagen. Aber sein Tempo änderte sich
    nicht, und Wronski, der ein Schmutzklümpchen ins Gesicht bekommen hatte, nahm wahr, daß er sich wieder in derselben
    Entfernung von Gladiator befand. Er sah wieder dessen Kruppe und kurzen Schweif vor sich, wieder dieselben sich
    nicht entfernenden, in schneller Bewegung begriffenen weißen Füße.
    In demselben Augenblicke, als Wronski dachte, daß es jetzt an der Zeit sein dürfte, Machotin zu überholen,
    beschleunigte Frou-Frou von selbst, als ob sie seine Gedanken erraten hätte, ohne jede Aufmunterung ihren Lauf
    erheblich und begann sich Machotin zu nähern, und zwar von der vorteilhaftesten Seite, von der Strickseite. Aber
    Machotin gab die Strickseite nicht frei. Kaum regte sich bei Wronski der Gedanke, daß es möglich wäre, ihn auch auf
    der Außenseite zu überholen, als Frou-Frou auch schon den Fuß wechselte und das Überholen gerade auf diese Weise
    versuchte. Frou-Frous Schulter, die schon vom Schweiße eine dunklere Färbung annahm, kam in gleiche Linie mit
    Gladiators Kruppe. Einige Sprünge liefen sie nebeneinanderher. Aber vor dem Hindernis, dem sie sich jetzt näherten,
    begann Wronski, um nicht einen großen Kreis

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