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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Hindernissen nicht zurück und treiben Sie sie nicht an; lassen Sie ihr freie Wahl, es zu machen, wie sie
    will.«
    »Schön, schön«, antwortete Wronski und faßte die Zügel.
    »Wenn es möglich ist, so nehmen Sie die Führung; aber geben Sie bis zum letzten Augenblicke nicht die Hoffnung
    auf, selbst wenn Sie hinten sein sollten.«
    Das Pferd hatte keine Zeit, sich wegzudrehen, als Wronski schon mit einer gewandten, energischen Bewegung in den
    stählernen, gezähnten Steigbügel trat und leicht, aber fest seinen kräftigen Körper auf das knarrende Leder des
    Sattels gleiten ließ. Während er den rechten Fuß in den Steigbügel steckte, ordnete er mit den ihm geläufigen
    Griffen die doppelten Zügel zwischen den Fingern, und Cord zog die Hände zurück. Als ob sie nicht recht wüßte, mit
    welchem Fuße sie zuerst auftreten solle, setzte sich Frou-Frou, mit ihrem langen Halse die Zügel ausziehend, wie
    auf Sprungfedern in Bewegung und schaukelte den Reiter auf ihrem geschmeidigen Rücken. Cord folgte ihnen in
    beschleunigtem Gange. Das aufgeregte Pferd versuchte bald auf der einen, bald auf der anderen Seite den Reiter zu
    täuschen und den Zügel noch weiter auszuziehen, und Wronski bemühte sich vergeblich mit Stimme und Hand, es zu
    beruhigen.
    Sie waren auf ihrem Wege zum Start bereits zu dem aufgestauten Flüßchen gelangt. Einige von den Reitern waren
    Wronski voraus, die übrigen waren hinter ihm zurück, als er plötzlich hinter sich auf dem schmutzigen Wege das
    Geräusch eines galoppierenden Pferdes hörte und ihn Machotin auf seinem weißfüßigen, großohrigen Gladiator
    überholte. Machotin lächelte, so daß seine langen Zähne sichtbar wurden; aber Wronski warf ihm einen grimmigen
    Blick zu. Er konnte den Menschen überhaupt nicht leiden, hielt ihn jetzt für seinen gefährlichsten Gegner und
    ärgerte sich über ihn, weil er an ihm vorbeigaloppierte und ihm dadurch seine Frou-Frou in Aufregung versetzte.
    Diese warf den linken Fuß zum Galopp in die Höhe, machte zwei Sprünge und ging, unwillig über die straff
    angezogenen Zügel, in einen stoßenden Trab über, der den Reiter fortwährend in die Höhe warf. Auch Cord machte ein
    finsteres Gesicht und lief fast im Trabe hinter Wronski her.

25
    Es beteiligten sich an dem Rennen im ganzen siebzehn Offiziere. Das Rennen sollte auf der großen, vier Werst
    langen, elliptischen Bahn vor der Tribüne vor sich gehen. Auf dieser Bahn waren neun Hindernisse angebracht: das
    Flüßchen, eine große, anderthalb Meter hohe, feste Hürde unmittelbar vor der Tribüne, ein trockener Graben, ein
    Wassergraben, ein doppelter Abhang, ein irischer Wall, der eines der schwierigsten Hindernisse war, bestehend aus
    einem mit Reisig besteckten Walle, hinter dem sich noch ein dem Pferde nicht sichtbarer Graben befand, so daß das
    Pferd entweder beide Hindernisse überspringen oder stürzen und sich schwer beschädigen mußte; dann noch zwei nasse
    Gräben und ein trockener. Das Ende der Bahn war der Tribüne gegenüber. Aber das Rennen begann nicht auf der Bahn
    selbst, sondern ungefähr zweihundert Meter seitwärts davon, und auf dieser Strecke befand sich das erste Hindernis:
    das aufgestaute Flüßchen in einer Breite von etwas mehr als zwei Metern; dieses konnten die Reiter nach ihrem
    Belieben entweder überspringen oder in einer Furt durchreiten.
    Dreimal stellten sich die Reiter in gerader Linie auf; aber jedesmal brach das eine oder das andere Pferd
    vorzeitig vor, und alle mußten wieder zum Ausgangspunkte zurückreiten. Der Oberst Sestrin, ein erfahrener Starter,
    war schon ganz ärgerlich geworden, als er endlich zum vierten Male »Los!« rief und die Reiter sich ordnungsmäßig in
    Bewegung setzten.
    Alle Augen, alle Operngläser waren auf das bunte Häuflein der Reiter gerichtet, als diese sich in Linie
    aufstellten.
    »Sie sind gestartet! Sie laufen!« erscholl es nun nach der erwartungsvollen Stille von allen Seiten.
    Gruppen von Fußgängern, auch einzelne, begannen von einer Stelle zur anderen zu laufen, um besser sehen zu
    können. Gleich im ersten Augenblick zog sich die geschlossene Reiterschar auseinander, und man konnte sehen, wie
    sie zu zweien, zu dreien, auch einer hinter dem anderen sich dem Flüßchen näherten. Die Zuschauer hatten den
    Eindruck gehabt, daß sie alle zugleich davongaloppiert waren; die Reiter aber waren sich des Sekunden betragenden
    Zeitunterschiedes bewußt, der für sie große Wichtigkeit hatte.
    Die aufgeregte und

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