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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Hängebacken, die von einem steif gestärkten Kragen gestützt wurden, in heiterster Gemütsstimmung mit
    seiner Tochter zum Brunnen.
    Es war ein wunderschöner Morgen: die sauberen, freundlichen Häuschen mit den Gärtchen davor, der Anblick der
    rotbackigen, rotarmigen, vom Biertrinken kräftigen, fröhlich arbeitenden deutschen Dienstmädchen, dazu die helle
    Sonne: alles machte das Herz lustig; aber je mehr sie sich dem Brunnen näherten, um so häufiger trafen sie auf
    Kranke, und ihr Anblick wirkte noch trauriger in dem gewöhnlichen Strom des wohlgeordneten deutschen Lebens. Kitty
    fühlte sich durch diesen Gegensatz nicht mehr überrascht; der helle Sonnenschein, das heiter glänzende Grün der
    Bäume und Grasflächen, die Klänge der Musik bildeten nach ihrer Auffassung den natürlichen Rahmen für alle diese
    bekannten Gesichter und für die Veränderungen zum Schlimmeren oder zum Besseren, die sie an ihnen verfolgte. Dem
    Fürsten dagegen erschien dieser strahlende Glanz des Junimorgens und die Klänge des Orchesters, das einen flotten
    Modewalzer spielte, und besonders der Anblick der von Gesundheit strotzenden Dienstmädchen als etwas Unpassendes
    und Ungeheuerliches in der Nebeneinanderstellung mit diesen traurig einherschleichenden Leichnamen, die sich hier
    von allen Enden Europas zusammengefunden hatten.
    Obgleich er ein Gefühl des Stolzes empfand und ihm sogar beinahe zumute war, wie wenn seine eigene Jugend
    wiedergekehrt sei, als er so mit seiner Lieblingstochter am Arme einherschritt, so scheute und schämte er sich doch
    gewissermaßen wegen seines kräftigen Ganges und seiner kernigen, wohlgenährten Glieder. Er hatte eine ähnliche
    Empfindung, wie wenn jemand unbekleidet in eine Gesellschaft träte.
    »Mach mich mit deinen neuen Freunden bekannt!« sagte er zu seiner Tochter und drückte dabei mit dem Ellbogen
    ihren Arm. »Ich habe sogar dieses garstige Soden liebgewonnen, weil es dich wieder so zurechtgebracht hat. Nur
    traurig, sehr traurig ist es hier bei euch. Wer ist das hier?«
    Kitty nannte ihm die Namen der Begegnenden, mit denen sie Bekanntschaft gemacht oder auch nicht gemacht hatte.
    Dicht am Eingang in den Kurgarten trafen sie die blinde Madame Berthe mit einer Führerin, und der Fürst freute sich
    über den gerührten Gesichtsausdruck der alten Französin, als sie Kittys Stimme hörte. Sie zog ihn sofort mit dem
    echt französischen Überschwange von Liebenswürdigkeit in ein Gespräch, pries ihn glücklich, weil er eine so
    allerliebste Tochter habe, und erhob Kitty geradezu in den Himmel, indem sie sie, obwohl sie dabeistand, einen
    wahren Schatz, eine Perle, einen Engel des Trostes nannte.
    »Nun, dann ist sie ein Engel zweiten Grades«, erwiderte der Fürst lächelnd. »Als den Engel ersten Grades
    bezeichnet sie selbst Mademoiselle Warjenka.«
    »Oh, Mademoiselle Warjenka, das ist ein wahrhaftiger Engel«, stimmte Madame Berthe bei. »Allez 1 !«
    In der Wandelbahn trafen sie auch Warjenka selbst. Sie kam sehr eilig aus der entgegengesetzten Richtung; in der
    Hand trug sie ein elegantes rotes Täschchen.
    »Sehen Sie, nun ist auch mein Papa angekommen!« sagte Kitty zu ihr. Warjenka machte so ungezwungen und
    natürlich, wie sie alles tat, eine Bewegung, die eine Art Mittelding zwischen Verbeugung und Knicks war, und begann
    sofort ganz schlicht und ohne Verlegenheit, wie sie mit allen Leuten sprach, mit dem Fürsten zu reden.
    »Selbstverständlich kenne ich Sie und sehr genau«, sagte der Fürst zu ihr mit einem Lächeln, an dem Kitty zu
    ihrer Freude erkannte, daß ihre Freundin dem Vater gefiel. »Wohin wollen Sie denn so eilig?«
    »Maman ist hier«, antwortete sie, sich zu Kitty wendend. »Sie hat die ganze Nacht nicht geschlafen, und der Arzt
    hat ihr geraten, in ihrem Stuhl an die Luft zu fahren. Ich bringe ihr ihre Arbeit.«
    »Das ist also der Engel ersten Grades«, sagte der Fürst, nachdem Warjenka sich entfernt hatte.
    Kitty sah, daß er Lust hatte, über Warjenka seine Späßchen zu machen, dies aber doch nicht fertigbrachte, weil
    ihm Warjenka so gut gefallen hatte.
    »Nun werde ich hier ja wohl alle deine Freunde kennenlernen«, fügte er hinzu, »auch Madame Stahl, wenn sie mir
    die Ehre erweist, mich wiederzuerkennen.«
    »Hast du sie denn früher gekannt, Papa?« fragte Kitty ängstlich, da sie bemerkt hatte, daß bei Erwähnung der
    Madame Stahl ein spöttisches Leuchten in den Augen des Fürsten aufgezuckt war.
    »Ich habe ihren Mann und sie

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