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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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seine ganze
    Aufmerksamkeit durch den Anblick des sich einen Hügel hinaufziehenden Brachfeldes in Anspruch genommen, das
    stellenweise mit gelbem Grase bestanden, stellenweise umgeworfen und schachbrettartig zerschnitten, stellenweise
    mit Düngerhaufen besetzt und stellenweise auch schon geackert war. Über das Feld hin fuhr eine lange Reihe von
    Fuhren. Ljewin zählte die Wagen und sah mit Befriedigung, daß die nötige Menge angefahren wurde. Beim Anblick der
    Wiesen gingen seine Gedanken dann zur Frage der Heuernte über. Die Heuernte hatte für ihn immer etwas, was sein
    Herz besonders nahe anging. Als sie bei der Wiese angelangt waren, hielt Ljewin das Pferd an.
    Der Morgentau lag noch reichlich im tieferen Grunde des Grases, und daher bat Sergei Iwanowitsch, um sich nicht
    die Füße naß zu machen, seinen Bruder, ihn im Einspänner über die Wiese nach dem Weidengebüsch hinzufahren, wo
    viele Barsche vorhanden zu sein pflegten. So leid es auch Konstantin Ljewin war, sein Gras zu zerdrücken, so fuhr
    er doch in die Wiese hinein. Das hohe Gras wickelte sich weich um die Räder des Wagens und um die Füße des Pferdes
    und ließ seinen Samen an den nassen Speichen der Räder und an den Fesseln des Pferdes zurück.
    Der Bruder setzte sich unter einen Busch und brachte seine Angeln in Ordnung; Ljewin aber führte das Pferd
    beiseite, band es an und ging in das von keinem Windhauch bewegte, gewaltige, graugrüne Meer der Wiese hinein. Das
    seidige Gras mit dem reifenden Samen reichte ihm in dieser Gegend, die durch das jährliche Austreten des Flusses
    bewässert wurde, fast bis zum Gürtel.
    Nachdem er die Wiese quer durchschritten hatte, trat er wieder auf den Weg hinaus und begegnete dort einem alten
    Manne mit einem verschwollenen Auge, der einen Korb mit einem Bienenschwarm trug.
    »Nun, hast du wieder einen neuen Schwarm gefangen, Fomitsch?« fragte er.
    »Gott bewahre, Konstantin Dmitrijewitsch! Man kann froh sein, wenn man nur die eigenen behält. Da, dieser
    Schwarm hier ist mir schon zum zweitenmal davongegangen ... Ein Glück noch, daß die Kinder ihm nachgerannt sind und
    ihn eingeholt haben. Bei uns wird gerade gepflügt. Da haben sie ein Pferd ausgespannt und sind ihm nachgejagt
    ...«
    »Nun, was meinst du, Fomitsch? Sollen wir mähen, oder sollen wir noch warten?«
    »Na ja, nach unserer Regel muß man bis zum Peterstag warten. Aber Sie lassen ja immer schon früher mähen. Na, so
    Gott will, wird es eine schöne Heuernte werden. Das Vieh wird die Hülle und Fülle haben.«
    »Aber wie denkst du über das Wetter?«
    »Das steht in Gottes Hand. Vielleicht wird auch das Wetter gut bleiben.«
    Ljewin ging wieder zu seinem Bruder.
    Dieser hatte noch nichts gefangen; aber er langweilte sich nicht und schien in heiterster Stimmung zu sein.
    Ljewin sah, daß er, durch das Gespräch mit dem Arzte angeregt, Lust hatte, ein bißchen zu reden. Ljewin hingegen
    wollte möglichst schnell nach Hause zurück, um das Erforderliche wegen der Beschaffung von Mähern für den nächsten
    Tag anzuordnen und so seinem Zweifel über die Heuernte, der ihn stark beschäftigte, ein Ende zu machen.
    »Nun, komm, dann wollen wir wieder fahren!« sagte er.
    »Wozu sollen wir denn so eilen?« erwiderte jener. »Laß uns doch noch ein Weilchen sitzen! Aber was bist du naß
    geworden! Wenn ich auch nichts fange, es ist doch schön. Jede Art von Jagd hat das Gute, daß man dabei mit der
    Natur in innige Berührung kommt. Sieh nur, wie wunderhübsch dieses stahlgraue Wasser ist! Diese Wiesenufer«, fuhr
    er fort, »erinnern mich immer an ein Rätsel – besinnst du dich? Das Gras spricht zum Wasser: ›Wir und schwanken
    ...‹«
    »Ich kenne das Rätsel nicht«, antwortete Ljewin in gedrücktem Tone.

3
    »Weißt du, ich habe eben an dich gedacht«, hob Sergei Iwanowitsch von neuem an. »Nach den Erzählungen dieses
    Arztes zu urteilen, muß es ja bei euch hier im Kreise ganz toll zugehen; und er ist ein ganz intelligenter junger
    Mensch. Ich habe es dir schon früher einmal gesagt und wiederhole es dir: es ist nicht gut, daß du die
    Versammlungen nicht mehr besuchst und dich überhaupt von der ganzen Kreisverwaltung zurückgezogen hast. Wenn sich
    die anständigen Leute davon fernhalten, dann wird natürlich alles Gott weiß was für einen Verlauf nehmen. Wir
    bezahlen eine ganze Masse Geld; aber das geht für die Gehälter drauf, und von Schulen, Heilgehilfen, Hebammen,
    Apotheken ist keine Rede; nichts davon ist

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