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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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so zurück. Lange und kurze Reihen folgten aufeinander, mit gutem und mit
    schlechtem Grase. Ljewin hatte jedes Gefühl für die Zeit verloren und wußte schlechterdings nicht, ob es jetzt spät
    oder früh war. In seiner Arbeit vollzog sich jetzt eine Veränderung, die ihm einen außerordentlichen Genuß
    gewährte. Mitten in der Arbeit kamen ihm Minuten, in denen er vollständig vergaß, was er tat; er fühlte sich so
    leicht, und gerade in solchen Minuten fiel seine Reihe fast ebenso schön und gleichmäßig aus wie die Reihe Tits.
    Aber sobald er sich wieder dessen bewußt wurde, was er tat, und anfing, sich Mühe zu geben, um es recht gut zu
    machen, empfand er sofort den ganzen schweren Druck der Arbeit, und die Reihe fiel schlecht aus.
    Als er so wieder einmal eine Reihe hinter sich gebracht hatte, wollte er die folgende in Angriff nehmen; aber
    Tit blieb stehen, trat an den Alten heran und sprach leise etwas mit ihm. Beide blickten nach der Sonne. ›Wovon
    mögen sie wohl reden, und warum macht er sich nicht an die nächste Reihe?‹ dachte Ljewin, ohne darauf zu verfallen,
    daß die Bauern bereits ohne Unterbrechung nicht weniger als vier Stunden gemäht hatten und nun ihre Frühstückszeit
    da war.
    »Nun wollen wir frühstücken, Herr!« sagte der Alte.
    »Ist es denn schon Zeit? Na schön, dann tut das!«
    Ljewin übergab Tit seine Sense und ging mit den Bauern, die zu ihren Röcken gingen, um ihr Brot herauszuholen,
    über die leicht vom Regen übersprühten Schwaden der langen abgemähten Fläche zu seinem Pferde. Erst jetzt wurde er
    sich darüber klar, daß seine Wettervoraussage falsch gewesen war und der Regen ihm sein Heu naß gemacht hatte.
    »Der Regen wird das Heu verderben«, sagte er.
    »Nein, Herr, der schadet nicht«, erwiderte der Alte. »Mähe, wenn der Himmel weint; harke, wenn die Sonne
    scheint.«
    Ljewin band das Pferd los und ritt nach Hause, um Kaffee zu trinken.
    Sergei Iwanowitsch war soeben aufgestanden. Nachdem Ljewin Kaffee getrunken hatte, ritt er gleich wieder nach
    der Wiese hinaus, noch ehe Sergei Iwanowitsch mit seiner Toilette fertig geworden und ins Eßzimmer gekommen
    war.

5
    Nach dem Frühstück erhielt Ljewin in der Reihe der Mäher seinen Platz nicht mehr an der früheren Stelle, sondern
    zwischen jenem spaßliebenden Alten, der ihn gleich anfangs ermahnt und jetzt aufgefordert hatte, sein Nebenmann zu
    werden, und einem jungen Bauern, der sich erst im Herbst verheiratet hatte und für den dies der erste Sommer war,
    wo er an der Heuernte teilnahm.
    Der Alte schritt in gerader Haltung voraus; gleichmäßig und breit setzte er die etwas auswärts gedrehten Füße
    von einer Stelle auf die andere, und mit einer genauen, sich unverändert wiederholenden Bewegung, die ihn
    anscheinend nicht mehr Mühe kostete als das Schlenkern mit den Armen beim Gehen, legte er wie spielend einen
    gleichmäßigen, hohen Schwaden nieder. Es war nicht, als ob er arbeitete, sondern als ob die scharfe Sense ganz von
    selbst durch das saftige Gras zischte.
    Hinter Ljewin ging der junge Michail. In seinem hübschen, jugendlichen Gesichte, über dem er um die Haare ein
    aus frischem Grase gedrehtes Seil gebunden hatte, arbeiteten alle Muskeln vor Anstrengung mit; aber sobald man ihn
    ansah, lächelte er. Er war augenscheinlich bereit, eher zu sterben, als daß er zugestanden hätte, daß ihm die
    Arbeit schwerfalle.
    Ljewin ging zwischen den beiden. Gerade in der größten Hitze erschien ihm das Mähen nicht so anstrengend. Der
    Schweiß, der an ihm herunterfloß, kühlte ihn ab, und die Sonne, die ihm auf dem Rücken, dem Kopfe und den bis zum
    Ellbogen entblößten Armen brannte, verlieh ihm Kraft und Ausdauer bei der Arbeit; und immer häufiger stellte sich
    bei ihm jener mehrere Minuten währende bewußtlose Zustand ein, in dem er gar nicht an das dachte, was er tat. Die
    Sense mähte ganz von selbst. Das waren glückliche Augenblicke. Noch vergnüglicher waren die Augenblicke, wenn sie
    an den Fluß gelangten, auf den die Reihen stießen, und dann der Alte mit einem festen, nassen Grasbüschel die Sense
    abwischte, ihre stählerne Klinge in dem frischen Wasser das Flusses abspülte, den Wetzsteinköcher vollschöpfte und
    ihn Ljewin zum Trinken anbot.
    »Na, trink mal von meinem Kwaß! Der schmeckt! He?« sagte er mit den Augen zwinkernd.
    Und in der Tat hatte Ljewin noch nie ein Getränk mit solchem Genuß geschlürft wie dieses laue Wasser mit dem
    darin schwimmenden Grün und dem

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