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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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ihrer Hand empfand er wie ein sengendes Feuer. Er küßte seine eigene Hand an der
    Stelle, wo Anna sie berührt hatte, und fuhr hochbeglückt nach Hause in dem Bewußtsein, daß er an dem heutigen
    Abende größere Fortschritte in der Richtung auf sein Ziel zu gemacht hatte als in den letzten beiden Monaten.
Fußnoten
    1 (engl.) spötteln.

8
    Alexei Alexandrowitsch hatte nichts Auffälliges und Unschickliches darin gefunden, daß seine Frau mit Wronski an
    einem besonderen Tisch gesessen und mit ihm ein lebhaftes Gespräch über irgendwelchen Gegenstand geführt hatte;
    aber er hatte gemerkt, daß dies den anderen Anwesenden eigentümlich und unpassend erschienen war, und darum
    erschien es ihm gleichfalls unpassend. Er kam zu der Überzeugung, daß er mit seiner Frau darüber sprechen
    müsse.
    Nach Hause zurückgekehrt, ging er, wie er das regelmäßig tat, in sein Arbeitszimmer und setzte sich in seinen
    Lehnstuhl, schlug ein Buch über das Papsttum an der Stelle auf, wo das Papiermesser eingelegt war, und las wie
    gewöhnlich bis ein Uhr, aber ab und zu fuhr er sich mit der Hand über die hohe Stirn und schüttelte mit dem Kopfe,
    wie wenn er etwas wegscheuchen wollte. Zur gewohnten Stunde stand er auf und machte seine Nachttoilette. Anna
    Arkadjewna war noch nicht heimgekehrt. Mit dem Buche unter dem Arme ging er hinauf; aber während seine Gedanken und
    Überlegungen sich sonst um dienstliche Angelegenheiten zu drehen pflegten, beschäftigten sie sich am heutigen Abend
    mit seiner Frau und mit irgend etwas Unangenehmem, das sich mit ihr zugetragen hatte. Gegen seine Gewohnheit legte
    er sich nicht zu Bett, sondern begann, die Hände mit zusammengehakten Fingern auf dem Rücken haltend, durch die
    Zimmerreihe hin und her zu wandern. Er konnte sich nicht hinlegen, da er fühlte, daß er vorher unbedingt diesen neu
    aufgetauchten Umstand nach allen Richtungen durchdenken müsse.
    Als Alexei Alexandrowitsch bei sich zu dem Entschlusse gelangt war, mit seiner Frau zu reden, war ihm dies als
    etwas sehr Leichtes und Einfaches erschienen; aber jetzt, da er diesen neu aufgetauchten Umstand zu durchdenken
    begann, erschien er ihm als etwas recht Verwickeltes und Schwieriges.
    Alexei Alexandrowitsch war nicht eifersüchtig. Eifersucht war nach seiner Anschauung eine Beleidigung für die
    Gattin; zur Gattin mußte man Vertrauen haben. Warum er Vertrauen haben müsse, das heißt die volle Zuversicht haben
    müsse, daß seine junge Frau ihn immer lieben werde, das hatte er sich nie gefragt; aber er empfand nie Mißtrauen,
    daher hatte er eben Vertrauen und sagte sich, daß man es haben müsse. Jetzt nun war seine Überzeugung, daß
    Eifersucht ein unwürdiges Gefühl sei und daß man Vertrauen haben müsse, allerdings in keiner Weise erschüttert,
    aber er hatte doch das Gefühl, daß er etwas Unlogischem und Unvernünftigem gegenüberstehe, und wußte nicht, wie er
    sich zu verhalten habe. Alexei Alexandrowitsch stand jetzt dem wirklichen Leben gegenüber, stand der Möglichkeit
    gegenüber, daß seine Frau noch jemand anderes als ihn liebe, und dies erschien ihm ganz sinnlos und unbegreiflich,
    weil es eben das wirkliche Leben war. Von jungen Jahren an hatte Alexei Alexandrowitsch in der Amtsluft gelebt und
    gearbeitet und es dort immer nur mit einem matten Abglanze des Lebens zu tun gehabt. Und jedesmal, wenn er mit dem
    wirklichen Leben zusammengestoßen war, war er ihm ausgewichen. Jetzt machte er ein Gefühl durch, ähnlich dem, wie
    es wohl jemand haben würde, der ruhig auf einer Brücke über einem Abgrunde dahinwandert und auf einmal sieht, daß
    vor seinen Füßen die Brücke abgebrochen ist und daß dort ein tiefer Schlund gähnt. Dieser tiefe Schlund war das
    wirkliche Leben, die Brücke jenes künstliche Leben, das Alexei Alexandrowitsch bis jetzt gelebt hatte. Zum ersten
    Male kam ihm ein Gedanke an die Möglichkeit, daß seine Frau einen anderen lieben könne, und er erschrak tief vor
    dieser Möglichkeit.
    Er kleidete sich nicht aus, sondern ging mit seinem gleichmäßigen Schritte hin und her, über den schallenden
    Parkettfußboden des Eßzimmers, das nur durch eine Lampe erleuchtet war, über den Teppich des dunklen Salons, wo ein
    Lichtschimmer nur von seinem eigenen großen Bilde widergespiegelt wurde, das, erst kürzlich angefertigt, über dem
    Sofa hing, und durch das Zimmer seiner Frau, wo zwei Kerzen brannten und ihr Licht über die Bilder ihrer Verwandten
    und Freundinnen und über die

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