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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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wogegen vor allem seine Feigheit spricht, zitierte Auden: Die Sterne braucht es jetzt nicht: löscht das Licht ihnen allen; den Mond packt ein und die Sonne lasst fallen; gießt den Ozean aus und den Wald reißt ein: Von jetzt an kann nichts mehr von Gutem sein.
    »Er war nicht gut«, sagt Fjodor, und Sibylle genießt ihren bösen, kleinen Gedanken, dass sie Anna nun wieder für sich allein hat. Sie trägt Jonathan in die Küche, ein Ort, an dem ihr Kind jegliches Weinen einstellt. Immer, seit sie die magische Formel gefunden hat. Ob es an dem depressiven koreanischen Koch liegt, den Jonathan offenbar instinktiv schont, an der Wärme oder an den Gerüchen, sie weiß es nicht. Nur, dass er in seinem Schaukelkorb sitzt, vor sich hin lächelt und einschläft. Vodoo, Zen-Buddhismus, was auch immer, es ist ihr egal. Nur die Stille zählt, und wenn die Küche sein Paradies ist, soll er es haben, zumal Freddys Freund als Babysitter ausgefallen ist. Eine plötzliche Erkrankung, und natürlich dachte sie sofort an Aids und Ansteckungsgefahren. Sie ist eine hysterische Mutter, die alles vergessen hat, was früher leicht und leichtfertig war.
    Annas Todesfall ist ein Ereignis, das Sibylle aus ihrem windelverseuchten Trott holt. Die Ablenkung, die sie braucht, um sich wieder lebendig zu fühlen. Sie ist Martin Liebling nie begegnet, sie mochte ihn nicht, was kein Grund wäre, ihm den Tod zu wünschen. So rücksichtslos von ihm, sich in Annas Wohnung ermorden zu lassen! Sibylle, auf dem Weg von der Küche in den Gastraum, beginnt zu lachen. Leise erst, und dann immer lauter, sodass sie stehen bleibt, von Lachen geschüttelt. Sie sollte das nicht denken, doch ja, sie ist glücklich. Zum ersten Mal seit der Mutterschaft hat sie das Gefühl, frei zu sein. Jemand anderer ist gestorben. Nicht ihr Baby. Also haben die Götter ihr vergeben. Nur ein kleines Opfer haben sie gefordert, und Anna wird es überstehen. Sie ist die starke Kuh auf dünnem Eis, die häufig ausrutscht, aber nie einbricht. So grau, die Wand, die sie anlacht, und ihr wird klar, dass ihr Farbe im Leben fehlt. Rot, blau, grün, gelb … alles, nur nicht die verwaschenen Farben der Gegenwart. Sie sollte renovieren, am besten das ganze Lokal. Und in dieser Zeit Urlaub in der Toskana machen mit Anna und dem Baby. Sie lauscht noch einmal: Kein Geräusch dringt aus der Küche, nur das Klappern von Geschirr. Kim ist ein notorisch trauriger Mann und ein wunderbarer Koch. Spricht man ihn zu laut an, beginnt er zu weinen. Er liebt Kinder, er würde Jonathan nie etwas antun. Oder doch?
    Anna wird von Glas zu Glas stoischer und fühlt sich nicht ein kleines bisschen betrunken. Wenn der Rest des Lokals wie ein Bild auf Wellen wirkt, so mag es daran liegen, dass sie ihre Brille zu Hause vergessen hat. Freddy kann sie ganz klar sehen, nur seine Augen tragen Trauer. Er ist voller Sorge um seinen kranken Freund, das Schreckgespenst hat vier Buchstaben. Sibylle hilft dem Kellner beim Abräumen der Tische. Wenn Freddy Kummer hat, versteckt er sich hinter der Bar und weigert sich, diese zu verlassen. Die Familie hat bessere Zeiten gesehen, doch alle atmen noch.
    »Was willst du auf dieser verdammten Insel?«, hat sie ihn gefragt. Und er sagte: »Atmen.« Es klang wie »amen«, und sie verstand nicht, was er meinte. Sie trank wenig und er viel, zwei Flaschen sündhaft teuren Rotwein schenkte der Kellner aus, und schon im Restaurant begannen sie zu streiten. Der Ton blieb leise, doch die Worte wurden schärfer. Martin warf ihr vor, in einem Kokon zu leben. Neue Ufer, ständig sprach er von neuen Ufern, und es ist doch nur das Zusammentreffen von Wasser und Land, und das Innenleben an einem anderen Ort ausgebreitet. Irgendwann dachte sie, dass er David beneidete hatte um dessen – wie nannte er es – »Leben auf der Rasierklinge«. Es ärgerte ihn, dass Anna immer wieder den Bruder ins Spiel brachte, wenn es doch um seine und ihre Zukunft ging. Arm und alt zu sein sei ja nun kein erstrebenswerter Zustand, sagte er, und er meinte sie. Der Retter mit Schwimmreifen aus Geld verstand nicht, warum sie auf ihrer eigenen »Titanic« untergehen wollte. Sie redeten und redeten, tranken und aßen, und zerrieben sich an der Unvereinbarkeit ihrer Wünsche. Wenn er bloß die Wahrheit gesagt hätte, den Grund für seine Flucht. Denn im dunklen Licht der Ereignisse muss es das gewesen sein: Liebling wollte untertauchen, und er wollte es nicht alleine tun.
    »Und du willst wirklich nicht bei mir

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