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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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gegen Gesetzeshüter und wird den blinden Affen spielen.
    Wanda Kroll gähnt hinter vorgehaltener Hand, und Anna bietet ihr an, frischen Kaffee zu kochen. Sie könnten ja gemeinsam frühstücken?
    Sie hat Schrippen gekauft, Schinken und Käse. Eine Henkersmahlzeit, hatte Anna auf dem Nachhauseweg gedacht. Denn Liebling wollte ja am Abend fliegen. Alles, was in den letzten vierundzwanzig Stunden ablief, erscheint ihr jetzt nichtig. Seine Worte, ihre Worte. Seine Unfähigkeit, ihren Entschluss zu akzeptieren, geschweige denn zu verstehen. In Annas Alter, sagte Liebling, würde keiner mehr kommen, um sie auf sein Boot zu nehmen. Als er sie »gottverdammte Idiotin« nannte, dachte sie, dass er sie schlagen würde. Liebling, der Gute, und David, der Böse, so einfach war es nicht. Und warum zögert sie, der Kommissarin von dem Zwillingsbruder zu erzählen?
    Sie essen beide, als ob sie seit Tagen gehungert hätten. Wanda Kroll erzählt von ihrem Mann und seiner Affäre, und Anna Marx kontert mit untreuen Männern, denen sie als Detektivin begegnete. Traurige Geschichten unter Frauen, und am Ende fragt die Kommissarin nochmals, warum Anna nicht mit auf die Insel wollte. Weil es doch etwas Besseres geben müsse als das Singleleben in Berlin.
    »Ich habe oft die richtigen Fragen gestellt, aber selten die richtige Antwort gefunden«, erwidert Anna. Dies ist auch keine, aber etwas Besseres fällt ihr nicht ein. »Absurd ist nur, dass meine Entscheidung überhaupt keine Rolle gespielt hätte. Ich meine, wir denken, dass wir unser Leben im Griff haben – und dann passiert etwas. Alles ist Chaos, wir haben gar nichts unter Kontrolle. Nicht mal unseren Ekel gegen alles, was wir tun oder lassen. Jeder glückliche Atemzug ist ein Wunder, nicht wahr?«
    Sie wäre eine gute Mörderin, denkt Wanda Kroll. Leider hat sie ein Alibi. Wenn er tatsächlich in der Zeit gestorben ist, in der Anna Marx unterwegs war. Ein Fall für die Gerichtsmedizin, alles braucht seine Zeit, und Geduld war immer schon ihre Stärke. Geduldig hat sie ertragen, dass Felix Kroll sie anschwieg und sich zur Seite drehte im Bett. Bis sie begann, ihn zu beobachten, Indizien und Beweise zu sammeln. Gott, sie weiß auch, dass ihr Fall nicht einmalig ist. Nur traurig und ekelhaft. Doch sie ist noch jung, und es werden andere kommen. Andere Männer, gleiche Geschichten. Und am Ende wird sie dasitzen wie die Marx. Allein. Sie kaut den letzten Bissen und stellt sich vor, dass Felix’ Penis zwischen den Brötchenhälften liegt. Man müsste sie alle entmannen, vielleicht würde dann Ruhe einkehren. Oder auch nicht, die Kolleginnen in der Abteilung sind teilweise schreckliche Menschen.
    »Das war gut, dieses Frühstück. Ich lasse Ihnen meine Karte da, falls Ihnen noch etwas einfällt. Wir werden uns noch mal unterhalten, denke ich. Es war sehr aufschlussreich. Mein Beileid übrigens, habe ich ganz vergessen.« Sie lächelt entschuldigend, mädchenhaft. Sie wollte nie erwachsen werden, doch ihre Mutter hat es nicht zugelassen.
    Vom Beischlaf zum Beileid waren es nur ein paar Stunden, denkt Anna, während sie die Kommissarin zur Tür begleitet. So unwirklich, das Geschehen, dass es immer noch wie ein Traum erscheint. Irgendwann, wenn der Fall abgeschlossen ist, wird sie über ihre Rolle darin nachdenken. Bis dahin muss sie mit zwei Gespenstern fertig werden: Martin und David.

15. Kapitel
    Trauer ist unteilbar und braucht doch Gesellschaft. Anna vergiftet sich qualmend und schwört Sibylle, dass sie nie wieder eine Zigarette rauchen wird. Ab morgen. Nie mehr schlemmen oder teure Schuhe kaufen. Wie ein Schwamm ist sie mit Wodka voll gesogen und fühlt sich mit jedem Glas nüchterner. Sie ist eine harte Prüfung für die Familie, die ihren seltsamen Trost reichlich spendet und Annas Wiederholungen klaglos in Kauf nimmt. »Er war ohnehin nicht der Richtige«, sagt Freddy, unterstützt von Fjodor, der von einem Berufskiller faselt, er habe einen auf der Straße gesehen, und einen Killer erkenne er von weitem, schon an der Matrix-Sonnenbrille. Sibylle gießt Wodka und Wasser nach und füttert Anna mit frittierten Sardinen. Die Gäste im »Mondscheintarif« sind die unbeteiligte Trauergemeinde, die an diesem Abend ebenfalls leidet, weil der Service miserabel ist.
    Ein Toter steht im Raum, und die Zeit steht still, begleitet von indischer Musik, die wie das melodische Jaulen von Katzen klingt. Der Aushilfskellner, der eigentlich Anglistik studiert und am liebsten Päderast wäre,

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