Anna Strong Chronicles 01 - Verführung der Nacht
eines Schlosses einrastet. Dann dringen Averys gedämpfte Schritte auf dem Teppich und Wasserrauschen aus der Dusche durch die nächtliche Stille zu mir heraus. Unsicherheit erfasst mich. Es gibt noch eine Tür irgendwo in Averys Zimmer? Wo führt sie hin?
Warum habe ich sie nicht bemerkt, als ich mich heute Nachmittag dort umgeschaut habe?
Ich stehe da wie angewurzelt und kann mich nicht entscheiden. Nach allem, was ich heute erlebt habe, traue ich meinem Instinkt nicht mehr. Ein Teil von mir will sofort in sein Schlafzimmer platzen und es auf den Kopf stellen, bis ich diese geheime Tür gefunden habe. Der andere, vernünftigere Teil fragt ständig, warum ich so etwas tun sollte. Immerhin ist dies das Haus eines Vampirs eines alten Vampirs. Vielleicht führt die Geheimtür nur zu einer Art Safe, in dem Avery angesammelte Wertgegenstände oder Geld aufbewahrt.
Welches Recht hätte ich, in so einen Raum einzubrechen?
Wie sollte ich das dem Mann erklären, den ich gerade geliebt habe? Einem Mann, der mich während der vergangenen Woche mehr als einmal gerettet hat. Einem Mann, der mir vermutlich mit Leichtigkeit den Kopf abreißen könnte, wenn ich ihn noch einmal so verärgere. Also wähle ich den Weg des geringsten Widerstands und kehre in mein Zimmer zurück.
Schließlich muss Avery morgen früh wieder ins Krankenhaus. Dann kann ich herumschnüffeln, solange ich will.
Avery weckt mich mit einem Kuss, seine Finger liebkosen mich, und wieder einmal werde ich mitgerissen. Als es vorbei ist und das rationale Denken wieder einsetzt, frage ich ihn nach Williams’ seltsamer Bemerkung. Er räkelt sich, gähnt und blickt lächelnd auf mich herab. Ich fürchte, da musst du dich verhört haben. Ich weiß nicht, was »die Eine« oder »die Macht« bedeuten sollen. Hört sich für mich ziemlich melodramatisch an.
Aber ich schüttele den Kopf. Nein. Es war in seinem Blut. Ich kann mich nicht getäuscht haben .
Avery wendet sich von mir ab, schiebt die Bettdecke von sich und steht auf. Ich muss los. Morgenvisite. Er beugt sich vor und streift mit den Lippen meine Stirn. Wir unterhalten uns heute Abend. Ich möchte dich zum Essen ausführen. In ein besonderes Restaurant.
Wenn dir das noch nicht zu viel ist?
Ich versuche, seine Gedanken zu lesen, doch es dringt nichts zu mir durch. Ja. Das wäre schön. Aber wir müssen uns unterhalten. David
Doch er macht eine wegwerfende Geste, und Ärger spielt um seine Mundwinkel, ehe er sich rasch wieder im Griff hat. Ich muss gehen. Ich schicke dir um acht Uhr einen Wagen. Und bis dahin werde ich dich gar nicht mehr sehen?
Er wirft mir einen heimlichtuerischen Blick zu . Ich muss unseren Abend arrangieren. Ich glaube, das Warten wird sich lohnen.
Und dann ist er weg, hat ohne einen Blick zurück den Raum verlassen.
Heute Morgen spüre ich eine leichte Veränderung in seiner Haltung. Eine Gewissheit, dass ich ihm gehöre. Er hat es also doch in meinen Gedanken gelesen. Er hat es in der Reaktion meines Körpers gespürt. Und es ist nur zu wahr.
Trotzdem verkrieche ich mich wieder unter der Bettdecke und warte darauf, dass er das Haus verlässt.
KAPITEL 35
Als ich sicher bin, dass Avery weg ist, nachdem ich durch das Fenster gegenüber vom Bett beobachtet habe, wie sein Auto die Auffahrt entlang verschwindet, stehe ich auf, dusche und ziehe Jeans und ein T-Shirt an. Ich höre die Haushälterin in der Küche werkeln meine Zeit ist also begrenzt. Sie wird heraufkommen, um die Betten zu machen, wenn sie ihre Pflichten unten erledigt hat. In mir tobt ein Kampf. Es fühlt sich vollkommen richtig an, dass ich Avery inzwischen so vertraue. Doch das Bedürfnis, alle seine Geheimnisse zu erfahren, ist überwältigend. Ich kann es nicht erklären. Ich weiß nur, dass ich sie erfahren muss.
Ich schleiche mich in sein Zimmer und schließe hinter mir ab.
Dann mustere ich alles ganz genau an zwei Wänden stehen Bücherregale, an der dritten ist ein offener Kamin, Fenster in der vierten Wand. Die Tür zum Bad befindet sich gegenüber vom Bett. Die einzig logische Stelle für eine Geheimtür wäre hinter einem der Bücherregale. Ich streiche mit den Händen über die Borde, spähe hinter Bücher, ziehe einen Stuhl heran, damit ich hinaufklettern und über dem Regal nachsehen kann.
Nichts sticht mir ins Auge; kein türförmiger Umriss ist zu erkennen. Was nun? Ich trete zurück und sehe noch einmal genau hin. Was ist mir bisher entgangen?
Der Türknauf wackelt, als jemand von der anderen
Weitere Kostenlose Bücher