Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
Nase ziehen, Gloria. Was will er von dir?«
Sie seufzt schwer und tief. »Er will, dass ich mit ihm schlafe.«
Eine Pause. Jetzt schaut sie doch weg. »Wieder.«
Kapitel 4
Er will was? Du lieber Himmel! Sag mal, willst du mich verarschen?« Ich kreische wie eine empörte Katze, ich kann nicht anders. Außerdem will ich mich auf sie stürzen. Es kostet mich gewaltige Anstrengung, nicht die Reißzähne zu blecken und laut zu heulen. Meine Faust trifft einen Klumpen Kristall auf dem Schreibtisch und schleudert ihn quer durch den Raum, so dass er an der Wand zersplittert. »Du hast mich um einen wunderschönen Nachmittag mit meiner Nichte gebracht, nur wegen dieses Blödsinns?«
Gloria wirkt leicht verdutzt ob meiner Reaktion. »Dieser Briefbeschwerer war ein Geschenk von David. Du hast ihn kaputt gemacht.«
Ich schnappe mir ein weiteres Stück kristallenen Nippes und wiege es in der Hand. Nichts würde ich jetzt lieber tun, als ihr das Ding an den verlogenen Kopf zu werfen.
Sie hebt beide Hände vors Gesicht und weicht einen Schritt zurück. »Anna, bitte. Das ist eine ernste Sache. Rory lässt ein Nein nicht gelten. Er bedrängt mich. Er droht mir damit, zu David zu gehen. Ihm zu sagen, dass wir miteinander geschlafen haben. Du weißt doch, wie David darauf reagieren würde.«
»Ich weiß jedenfalls, welche Reaktion ich mir von ihm wünschen würde.«
Sie achtet nicht auf meine Worte. »Das würde ihn umbringen. Er könnte sich zu allen möglichen Dummheiten hinreißen lassen.«
Ich bebe vor Wut, halte das kristallene Was-auch-immer wie eine Waffe und rücke gegen sie vor. »Ich habe eine Idee. Ich erspare O’Sullivan die Mühe und sage es David selbst. Es wird mir ein Vergnügen sein.«
Gloria ist klug genug, nicht aufzubrausen, sondern erst eine Minute vergehen zu lassen und dann sehr zurückhaltend zu widersprechen. »Ich weiß, du magst mich nicht«, sagt sie leise. »Aber denk doch mal daran, wie weh das David tun würde. Er liebt mich immer noch.«
Ich blicke mit funkelnden Augen auf sie hinab. »Da bin ich nicht sicher. Nur du hast behauptet, er wolle wieder mit dir zusammen sein.«
Sie beugt sich vor und greift nach ihrer Handtasche, die sie öffnet, um ein Handy herauszuholen. Wortlos drückt sie auf Tasten, bis sie hört, was sie gesucht hat. Sie spielt die Nachricht noch einmal ab und hält mir das Telefon hin.
»Gloria. Hier ist David. Noch mal. Ich vermisse dich. Bitte ruf mich an. Ich weiß nicht, was ich getan habe, dass du so wütend auf mich bist, aber was es auch sein mag, gib mir eine Chance, es wiedergutzumachen. Bitte, Baby. Ich liebe dich.«
Sie lässt auch die Anruf-Info laufen. Die Nachricht ist vom vierzehnten Dezember, Viertel nach zehn. Heute Vormittag.
Sie legt das Handy auf den Schreibtisch und wartet auf meine Reaktion. Ihr Gesichtsausdruck ist sorgsam neutral gehalten. Das ist nur gut so, denn ein einziges Feixen, und sie bekäme dieses Kristalldings an den Kopf.
Ich fahre mir mit der freien Hand übers Gesicht, hole tief Luft und frage: »Was hat dich geritten, damit zu mir zu kommen? Dir muss doch klar gewesen sein, wie ich darauf reagieren würde.«
»Ganz einfach. Ich liebe David. Ich weiß, dass er dir auch sehr viel bedeutet. Du willst nicht, dass er verletzt wird.« Ihre Antwort überrascht mich, oder vielleicht eher ihr Tonfall. Sie hört sich aufrichtig an, aber da ist noch etwas. Ein ungutes Gefühl kriecht mir den Nacken hoch.
»Hat Rory etwa damit gedroht, dass er mit David nicht nur reden will?« Sie wendet den Blick ab. Ich strecke die Hand aus, umfasse ihr Kinn und zwinge sie, mir ins Gesicht zu sehen. »Hat er das?«
Sie zuckt zurück und schnappt nach Luft. »Ich glaube nicht, dass er ihm wirklich etwas antun würde. Wenn du nur mit Rory reden würdest. Sag ihm, dass du damit zur Polizei gehen wirst oder an die Presse, wenn er mich nicht in Ruhe lässt. Sag ihm, dass du beste Beziehungen zur Polizei hast. Dass du ihn wegen Belästigung oder sonst irgendwas verhaften lassen wirst, wenn er mich nicht in Ruhe lässt. Auf dich wird er hören. Da bin ich sicher, denn du kannst ihn dazu zwingen.«
All das sprudelt in einem einzigen Schwall aus ihr hervor. Als sie fertig ist, trete ich vom Schreibtisch zurück – ich bringe mich in sichere Entfernung, denn sonst könnte ich dem Drang nachgeben, ihr eine zu scheuern, dass sie quer durchs Zimmer fliegt.
Ich drehe das Ding in meiner Hand herum und se-he, dass es eine kristallene Uhr ist. Nachdenklich werfe
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