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Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin

Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin

Titel: Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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fünf Uhr nachmittags. Zu früh fürs Abendessen, aber nicht für den Feierabend-Drink an diesem Freitag. An der Bar herrscht Gedränge.
    Das Restaurant liegt auf der Broadway-Seite des Horton Plaza. Es zieht sowohl die Angestellten aus den nahen Geschäften an als auch Anwälte und Richter aus den beiden Gerichtsgebäuden zwei Straßen weiter und Bürokraten aus den Ämtern nebenan. In meiner Jeans mit Blazer und Nikes bin ich die Einzige weit und breit, die weder Kostüm noch Anzug trägt.
    Das erregt Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht, was Männer sehen, wenn sie mich anschauen, aber ich weiß, wie sie sich verhalten. Während ich mich durch die Happy-Hour-Gemeinde dränge, werde ich fragend angelächelt und von mehr als einer höflichen Hand aufgehalten. Unter anderen Um-ständen würde ich das vielleicht nutzen als Gelegenheit zu einer sorglosen, vergnüglichen Nacht.
    Eine Vampirin zu sein, ist in dieser Hinsicht sehr befreiend. Aber nicht heute Abend. Ich bin zu einem anderen Zweck hier – um Glorias willen, und die sollte lieber einen guten Grund dafür haben.
    Ich ignoriere die lächelnden Gesichter und Einladungen auf einen Drink und schiebe mich zur Tür am Ende der Bar durch. Ich klopfe einmal und schiebe die Tür auf.
    Gloria sitzt hinter einem Schreibtisch und starrt durch das Fenster auf die Raupe der Autoscheinwerfer hinaus, die den Broadway entlang aufs Meer zukriecht. Sie dreht sich nicht um, als die Tür aufgeht. Offenbar hat sie mich nicht bemerkt.
    »Gloria?« Sie springt vor Schreck beinahe aus dem Stuhl und wirbelt zu mir herum. Bei dem Ausdruck auf ihrem Gesicht, als hätte ich hier drin nichts zu suchen, würde ich am liebsten kehrtmachen und wieder gehen. »Du hast mich gebeten, herzukommen, schon vergessen? Was zum Teufel hast du eigentlich?«
    Ihre Miene wirkt leicht betreten. »Tut mir leid.« Gloria entschuldigt sich bei mir? Ich muss mich wohl verhört haben.
    Ich setze mich auf die Ecke des Schreibtischs. »Da bin ich. Du hast zwei Minuten Zeit, mir zu sagen, warum ich bleiben sollte.«
    Glorias Blick verfinstert sich. »Ich stecke in Schwierigkeiten.«
    »Das habe ich vorhin schon gehört. Was für Schwierigkeiten?«
    Ich kenne Gloria seit fünf Jahren. Noch nie hat sie mich so angesehen wie jetzt, mit einem Blick ganz ohne Herablassung oder Boshaftigkeit. Ich wünschte, sie würde damit aufhören. Unsere alte gegenseitige Abneigung war mir angenehmer.
    Sie sieht verängstigt aus, und das beunruhigt mich. »Also? Noch neunzig Sekunden. Neunundachtzig.«
    Unvermittelt fängt sie an zu weinen.
    Ich springe auf. Dann fällt es mir wieder ein: Sie ist Schauspielerin. Aber das sind echte Tränen, die ihr über die Wangen laufen, und echter Rotz hängt an diesem Fünftausend-Dollar-Näschen. Ihr Gesicht hat rote Flecken.
    Das ist kein theatralisches Geflenne. Sie weint wirklich.
    Ich bin so fassungslos, dass ich nicht weiß, wie ich reagieren soll. Obwohl ihr vor Schluchzen die Schultern zucken, bringe ich es nicht über mich, tröstend einen Arm um sie zu legen. Das ist immer noch Gloria, meine schlimmste Feindin. Ansonsten fällt mir nur noch eines ein: Ich schnappe mir eine Packung Taschentücher vom Serviertisch vor dem Fenster und reiche sie ihr.
    »Hier«, sage ich barsch. »Wisch das ab. Tränen können Kaschmir völlig ruinieren.«
    Sie zieht ein Taschentuch heraus, tupft reichlich wirkungslos an ihrem Gesicht herum und verschmiert dabei Wimperntusche und Eyeliner auf der Tränenspur. Jetzt sieht sie aus wie ein durchgeknallter Waschbär.
    Es kostet mich große Überwindung, das nicht zu erwähnen. Ich warte, bis Gloria sich wieder gefasst hat. Ich werde sie noch genau einmal fragen, was eigentlich los ist, und wenn ich dann keine Antwort bekomme, bin ich weg.
    »Falls du jemanden suchst, der bei David ein gutes Wort für dich einlegt, war es unglaublich dumm von dir, zu mir zu kommen. Ich war selig in dem Glauben, er hätte dich abserviert. Seit ich dich kenne, hast du immer nur versucht, unsere geschäftliche Beziehung zu untergraben. Bilde dir ja nicht ein, ich würde .... «
    Ich bin gerade warm geworden, als Gloria mir wieder so einen unergründlichen Blick zuwirft.
    Eine Bitte? Worum? Der Blick lässt mich abrupt verstummen.
    Sie rückt vom Tisch ab und steht auf. »Du weißt, wer mein Geschäftspartner ist?«
    Selbst wenn ich hinter dem Mond leben würde, wüsste ich vermutlich, wer Glorias Geschäftspartner ist. Rory O’Sullivan ist fast so berühmt-berüchtigt wie Donald

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