Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
willst du?«
»Eine Hexe.«
Nach kurzem Schweigen fragt er, warum. Als ich es ihm erkläre, fragt er schon weniger feindselig: »Wo bist du?«
»Draußen am Brunnen. Offenbar hat mich jemand aus dem Clubhaus ausgesperrt. Mein Schlüssel funktioniert nicht mehr.«
»Versuch es noch einmal«, sagt er und legt auf.
Das Kind und seine Eltern hocken immer noch auf der Parkbank herum. Ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Wenn ich direkt an ihnen vorbeimarschiere und sie mir nachschauen, wie würden sie dann reagieren, wenn ich plötzlich verschwinde? Früher bin ich immer nur früh am Morgen oder spät in der Nacht hergekommen, da waren neugierige Sterbliche nie ein Problem.
Ich kann nicht warten. Schließlich steht Culebras Leben auf dem Spiel.
Ich schlendere an den dreien vorbei, tue so, als interessierte ich mich für die heimische Flora und betrachte die Büsche aus nächster Nähe. Williams hat ja immer gesagt, Übernatürliche könnten dieses Gebüsch betreten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Und ich will verdammt sein, wenn er nicht recht hat. Diesmal werfen die drei nicht einmal einen Blick in meine Richtung, als ich direkt hinter ihnen wieder durch das magische Portal verschwinde.
Jetzt funktioniert der Schlüssel. Die Tür geht auf, und ich stehe in einem kleinen, fensterlosen Raum, in dem es nur einen Schreibtisch und einen Computer gibt. Ich drücke auf ein paar Tasten, und der Raum wird zum Aufzug, der mich nach unten bringt. Williams erwartet mich schon. Wir tauschen keine Höflichkeiten aus. Er bedeutet mir, ihm zu folgen, und führt mich durch die geschäftige Einsatzzentrale mitten im Raum zu einem abgelegenen Bereich an der Seite – einem Bereich, den ich noch nie gesehen habe.
Er öffnet eine Tür. »Hier rein«, sagt er. Ich betrete einen kleinen Raum mit einem runden Tisch und fünf Stühlen. An dem Tisch sitzen drei Frauen – so unterschiedlich wie nur menschenmöglich, und sie sind Menschen. Keinerlei übernatürliche Ausstrahlung.
Williams stellt uns einander knapp vor, indem er einmal um den Tisch herumgeht. »Min Liu.« Das ist eine zierliche Chinesin mit durchdringendem Blick und hüftlangem schwarzem Haar. »Susan Powers.« Eine ganz gewöhnlich aussehende weiße Frau mit einem spontanen, strahlenden Lächeln und einem kinnlangen, graumelierten Bob. »Ariela Acosta.« Die Jüngste der drei, Mitte zwanzig, würde ich schätzen, eine Latina mit schönen dunklen Augen und Pferdeschwanz.
Schließlich deutet er mit dem Daumen in meine Richtung. »Anna Strong.« Nervensäge , fügt er, nur für meine Ohren, hinzu. Das ist seine einzige Abweichung vom Sachlichen.
»Sag ihnen, was für Hilfe du brauchst.«
Die drei sind Hexen?
Hattest du nicht um Hexen gebeten?
Er ist immer noch sauer wegen gestern, das ist seinem Tonfall deutlich anzuhören. Tja, ich auch. Es überrascht mich, dass er schon meinen zweiten Anruf angenommen hat. Rasch erkläre ich Culebras Situation – seine Symptome und meinen Verdacht, wer dahinterstecken könnte. Sie hören mir aufmerksam zu, und Williams ebenfalls. Er weiß über Burke Bescheid. Er erinnert sich auch daran, was sie versucht hat und dass sie Frey beinahe umgebracht hätte.
Als ich fertig bin, ergreift Min als Erste das Wort. »Wir kennen Belinda Burke. Sie allein ist mächtiger als wir alle zusammen. Wir können ihren Zauber nicht rückgängig machen. Dazu bräuchte es eine gleich starke Hexe.«
»Aber wir könnten sie vielleicht lokalisieren«, fügt Susan hinzu.
Ariela nickt. »Wir können ihrer telekinetischen Spur folgen. Um einen Zauber zu wirken, wie du ihn beschrieben hast, braucht man eine übersinnliche Verbindung zwischen Opfer und Hexe. Diese Spur können wir anzapfen und sie zur Quelle zurückverfolgen.«
Susan muss mir die Frage vom Gesicht abgelesen haben, denn sie sagt: »Stell es dir wie ein GPS-System vor. Wir folgen dem Signal bis zu seinem Ursprungspunkt.«
»Ihr könnt den Zauber also nicht aufheben«, sage ich. »Was würde passieren, wenn Burke stirbt? Würde das den Zauber brechen?«
Min runzelt die Stirn. »Es wäre sehr gefährlich, wenn du versuchst, diese Hexe zu töten«, erklärt sie. »Sie ist von einem besonders starken, schützenden Glamour umgeben. Du musst sehr vorsichtig sein.«
»Aber würde das den Zauber brechen?« Sie nickt.
Mehr brauche ich nicht zu wissen. Ich habe selber reichlich starken Glamour – meine vampirische Kraft und, falls die nicht reichen sollte, eine hübsche kleine
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