Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
ich keinerlei Bedrohung. Sie ist eine Sterbliche, was nicht bedeutet, dass sie keine Hexe ist. Oder Burke sich nicht schon wieder eine andere Verkleidung zugelegt hat. Ich berühre zur Sicherheit das Amulett. Nichts. Sie ist nicht Burke, und Burke kann auch nicht in der Nähe sein.
Die Frau hat mich noch nicht begrüßt, und jetzt merke ich, dass sie in ihr Headset spricht – sie telefoniert. Schließlich legt sie auf und sagt: »Entschuldigen Sie. Das Telefon steht nicht mehr still, seit gestern dieser Artikel in der Zeitung erschienen ist. Möchten Sie eine Bestellung aufgeben?«
Sie nimmt ein Klemmbrett von einem ganzen Stapel auf ihrem Schreibtisch und hält es mir hin. »Wir hatten leider Probleme mit der Website. Sie war überlastet, und unsere Kunden konnten die Bestellformulare nicht öffnen. Ich habe allen gesagt, dass sie am besten herkommen und ihre Bestellung persönlich aufgeben sollten, wenn sie in der Umgebung von San Diego wohnen. So bekommen sie das Produkt auch viel schneller.«
»Das Produkt?« »Eternal Youth.« Das Lächeln verblasst ein wenig, als sie sieht, dass ich nicht nach dem Klemmbrett greife. »Sind Sie nicht deswegen hier?«
Eternal Youth? Warum sagt mir das etwas? Ich lasse den Namen durch mein Gedächtnis laufen. Die Erinnerung trifft mich wie ein Blitz. Die Zeitung von gestern. Gloria und ihre neue Rolle als Werbeträgerin. Und noch etwas. Die Frau neben Gloria. Die Firmenchefin. Der Rotschopf, Simone Tremaine. Sie sind ein und dieselbe. Es ist Belinda Burke.
Die Frau am Empfangstisch hat das Klemmbrett wieder auf den Stapel gelegt und nimmt gerade einen weiteren Anruf entgegen. Ich gehe die Möglichkeiten durch. Ich könnte zu Gloria gehen und herausfinden, was sie über Simone Tremaine weiß.
Die gute alte Gloria – hat sich wieder einmal auf einen skrupellosen Geschäftspartner eingelassen. Okay, letzter Strohhalm. Ich würde Gloria lieber nicht wiedersehen – nie wieder. Wahrscheinlich würde sie jede kleine Annäherung benutzen, um sich wieder an David heranzupirschen. Die zweite Möglichkeit ist, so viel wie möglich von der Empfangsdame in Erfahrung zu bringen. Ich bezweifle allerdings, dass sie mir Simone Tremaines Adresse oder private Telefonnummer geben wird, ganz egal, wie nett ich sie darum bitte.
Bleiben noch zwei Optionen offen. Nach Hause fahren und im Internet recherchieren. Vermutlich Zeitverschwendung, da Simone Tremaine ziemlich sicher in keinem Telefonbuch eingetragen ist. Oder heute Nacht wieder herkommen und einen Blick in Belindas Akten werfen. Von dem Empfangsbereich geht eine Tür mit Glaseinsatz ab. Ich schlendere hinüber und spähe durch die Scheibe. Dahinter ist ein langer Flur mit Türen zu beiden Seiten – zweifellos Büros –, und einer weiteren am hinteren Ende. Sie ist offen und führt offenbar zu einem Treppenabsatz.
»Kann ich Ihnen denn sonst irgendwie behilflich sein?« Die Stimme der Empfangsdame hat ihre Begeisterung eingebüßt.
Ich drehe mich zu ihr um. »Ich möchte keine Bestellung aufgeben«, sage ich und trete wieder vor den Schreibtisch. »Aber ich interessiere mich für das Unternehmen. Was können Sie mir über Simone Tremaine sagen?«
Das seidenglatte Lächeln der Verkäuferin ist wieder da. »Sie ist wunderbar. Sie hat die Formel für Eternal Youth selbst entwickelt. Sind Sie von der Presse? Ich habe eine Pressemappe, die kann ich Ihnen gern geben.«
Diesmal nehme ich das Angebot an. Ich bekomme eine schicke Hochglanzmappe, und die erste Seite darin ist ein Porträt von Simone. »Woher kommt sie denn, wissen Sie das?«
»Aus New York. Sie war dort im Marketing. Deshalb kann sie ja so gut mit den Medien. Die lieben sie einfach.« Klar. Deshalb und weil sie die Leute so behexen kann, dass die alles glauben, was sie sagt.
Ich blättere die etwa zwanzig Seiten umfassende Pressemappe durch. Auf jedem Blatt ist ein Foto von Simone und Vorher-nachher-Fotos von Frauen mittleren Alters, die sich von farblos zu fabelhaft wandeln. Keine Creme der Welt könnte… Die Empfangsdame unterbricht meine Gedanken mit einem Lachen. »Ich sehe Ihnen an, dass Sie skeptisch sind, was diese Resultate angeht. Das ist bei den meisten Frauen so.« Sie greift nach etwas zu ihren Füßen und bringt eine Handtasche zum Vorschein. Sie fischt ein Portemonnaie heraus und zeigt mir einen Führerschein.
»Was schätzen Sie, wie alt ich bin?«, fragt sie.
»In so etwas bin ich nicht gut«, entgegne ich. In diesem Fall ist es ein Nachteil, ein Vampir
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