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Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen

Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen

Titel: Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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hätte ich unsichtbare Saugnäpfe an den Handflächen. Ich ziehe mich nur mit den Händen hoch, während meine Füße nach Halt suchen wie bei einem Freeclimber. Beiläufig frage ich mich, wie ich dabei wohl aussehe. Hoffentlich nicht wie eine Riesenspinne.
    Ich lasse mich vom Dach herabhängen und nehme mir das Fenster vor. Es knarrt und öffnet sich, und ich schlüpfe nach drinnen. Diese vampirischen Fähigkeiten gehen mir allmählich in Fleisch und Blut über, und seit ich akzeptiert habe, was ich bin, scheinen sie noch stärker zu werden. Durchaus nicht unangenehm. Unterhalb der Fenster verläuft ein Wartungssteg. Ich ducke mich darauf und warte auf irgendeinen Hinweis darauf, dass ich Alarm ausgelöst habe. Ich höre weder das Surren von Überwachungskameras, noch sehe ich den schwachen Lichtstrahl eines Bewegungssensors. Es brennt kein Licht, doch ich kann den Boden der Fabrikhalle zehn Meter unter mir deutlich erkennen. Kein Wachmann kommt, um nach dem Rechten zu sehen. Einen Moment später trete ich über den Rand des Stegs und lande locker auf beiden Füßen neben einem Fließband.
    Kein harter Aufprall, kein Schmerz. Ich streiche mir übers Haar. Alles sitzt perfekt.
    Der Fertigungsbereich sieht aus wie jede andere Fließbandproduktion. Zutaten werden in großen Edelstahlkesseln an einem Ende abgemessen und vermischt, und am anderen Ende kommen die fertigen Cremetiegel heraus. Das Fließband steht still, doch alle Komponenten sind daneben aufgebaut, und Produkte in diversen Stadien der Fertigung reihen sich darauf aneinander, als hätte jemand am Ende des Arbeitstages auf einen Schalter gedrückt und das Band einfach angehalten. Ich gehe einmal ganz daran entlang, nehme Tiegel vom Band, schnuppere und suche nach – ich weiß gar nicht recht, wonach ich eigentlich suche. Mir sticht nichts ins Auge. Ich nehme einen der fertigen Cremetiegel und schraube ihn auf. Der Inhalt ist hellrosa und stark parfümiert, doch unter all den Duftstoffen wittere ich etwas, das ein wenig nach rohem Fleisch riecht. Angewidert reiße ich den Kopf zurück. Ich schraube den Tiegel zu und stecke ihn mir in die Jackentasche.
    Am Ende der Fabrikhalle sind zwei Türen, beide verschlossen. Darauf bin ich vorbereitet. Ich fische meine Picks aus einer anderen Jackentasche und mache mich an die Arbeit.
    Ich erinnere mich von meinem Besuch am Nachmittag, dass am Ende des Flurs, der vom Empfangsbereich wegführt, eine Tür war. Ich nehme an, dass diese Tür entweder in die Fabrikhalle selbst oder zu einer Treppe führt. Doch hinter der ersten Tür, die ich öffne, befindet sich ein Aufenthaltsraum für die Angestellten, samt Umkleide. Die andere Tür ist diejenige, die ich gesucht habe. Sie führt tatsächlich zu einer Treppe. Am oberen Ende liegt der Flur, den ich heute Nachmittag gesehen habe. Zu beiden Seiten des Flurs liegen Büros, insgesamt sechs, deren Türen jetzt geschlossen sind. Doch kleine Messingschilder erleichtern mir die Arbeit. Ich gehe schnurstracks zu der Tür mit dem Schild »Simone Tremaine, President«.
    Ich brauche etwa zwanzig Sekunden, um das Schloss zu knacken. Rasch schlüpfe ich durch die Tür. Das Büro ist groß, etwa sieben mal sieben Meter, aber nicht so luxuriös ausgestattet, wie ich erwartet hatte. Da sind ein hölzerner Schreibtisch mit Stuhl, eine Reihe Aktenschränke, ebenfalls aus Holz, ein Ledersofa, ein Couchtisch mit Glasplatte und zwei Ledersessel für Besucher vor dem Schreibtisch.
    Die Schreibtischplatte ist leer. Es ist nichts darauf, nicht einmal ein Telefon oder eine Schreibunterlage. Die Schreibtischschubladen sind abgeschlossen, geben meinen Picks aber leicht nach. Sie enthalten jedoch nichts außer Telefonnotizen mit Bestellungen. Ein rascher Überblick verrät mir, dass das Geschäft großartig läuft. Da sind Anrufe mit Vorwahlen aus dem ganzen Land. Ich blättere den Stapel durch. Eine Kundin hat in den vergangenen Tagen dreimal angerufen. Die muss ganz verzweifelt auf ihre wundersame Verjüngung warten. Ich lege den Stapel so zurück, wie ich ihn vorgefunden habe.
    In einer anderen Schublade liegen InternetBestellformulare. Eine Menge. Eternal Youth muss bei Frauen mittleren Alters richtig eingeschlagen haben. Kein Wunder, dass ich so viele Lastwagen habe an- und abfahren sehen. Ist wohl eine Vorbereitung für den offiziellen Verkaufsstart, von dem ich in der Zeitung gelesen habe.
    Und jetzt die Aktenschränke. Wieder ist alles abgeschlossen. Es sind sechs Hängeregister, und keines

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