Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
Leibwächter ist aus seiner Starre befreit. Er wirkt weder überrascht noch schockiert, sondern geht einfach zum Tisch und holt ihren Blazer. Burke schlüpft hinein. »Einen schönen Tag noch, Anna«, sagt sie.
Ich kämpfe gegen die unsichtbaren Fesseln an und kann die beiden nicht aufhalten, als sie das Restaurant verlassen. Weitere zehn Sekunden lang geschieht überhaupt nichts, dann ist die Welt auf einmal normal. Die Leute erwachen wieder zum Leben und fahren mit dem fort, was sie vorher getan haben, ohne die geringste Ahnung, was eben geschehen ist. Ich lasse hastig die Waffe sinken und sehe mich um. Offenbar bin ich die Einzige, der ein bisschen schwindelig und übel ist, nachdem ich wie eine Mücke in Bernstein erstarrt war.
Bis ich mich wieder berappelt habe und zum Ausgang renne, ist Belinda Burke verschwunden.
Kapitel 14
Widerwillig muss ich diese teuflische Leistung anerkennen. Die Hexe hat eine tolle Nummer abgezogen. Mist.
Ich schaue die Prospect Street hinauf und hinunter, mache mir aber kaum Hoffnungen, die Limousine zu finden. Mit einem scheußlichen Gefühl in der Magengegend wird mir klar, dass es mir auch nichts nützen würde, wenn ich sie entdecken könnte. Bis ich mein Auto geholt habe, wäre Belinda Burke sowieso über alle Berge.
Ich renne zu dem Parkhaus, um den Jaguar zu holen. Gedanken schießen mir durch den Kopf wie eine schäumende Flutwelle über einen Damm. Sie weiß von Frey. Sie weiß über das Amulett Bescheid. Kann sie es zu den Hexen im Balboa Park zurückverfolgen? Ich muss sie warnen.
Als Erstes rufe ich Frey auf dem Handy an. Er geht nicht dran. Ich versuche es auf Culebras Handy in der Hoffnung, dass Sandra abheben wird, doch auch da geht niemand dran.
Ich lege auf, ringe die Angst nieder, dass beide bereits tot sein könnten, und rufe Williams an. Der geht wenigstens ans Telefon. Noch ehe ich danach fragen kann, erzählt er mir, dass er gerade erst mit Sandra gesprochen hat und Culebra noch durchhalte. Ich berichte ihm von der Begegnung mit Burke und von ihrer Drohung gegen die Hexen. Er versichert mir, sie seien gut geschützt, solange sie sich im Hauptquartier aufhielten. Dann stellt er die logischen Fragen, und ich schildere Burkes neues Aussehen so genau wie möglich. Er will, dass ich ins Hauptquartier komme und sie auch noch einem hellsichtigen Künstler beschreibe, damit er ein Bild von ihr zeichnen kann.
Dafür habe ich keine Zeit. Jetzt, da ich weiß, dass Burke sich das Äußere einer anderen angeeignet hat, ist meine nächste Aufgabe, festzustellen, wer diese andere ist. Und sie schnell zu erreichen. Wir legen auf.
Ich fahre die Prospect Street entlang. Burke muss klar sein, dass ich nicht zufällig in dem Restaurant aufgetaucht bin. Sie ist clever genug, sich zu denken, dass ich ihr vermutlich von der Lagerhalle dorthin gefolgt bin. Also kann ich ziemlich sicher annehmen, dass sie da nicht so bald wieder auftauchen wird.
Womit die Fabrik der logische Anfangspunkt für meine Suche ist. Ich fahre zurück nach National City. Die Sorge um Culebra und Frey und plötzliche Zweifel an meiner Entscheidung, zu der Halle zurückzukehren, sind meine unerwünschten Begleiter. Was, wenn ich mich täusche und Burke dort auf mich wartet?
Welchen Schutz habe ich schon gegen ihre Macht? Eben im Restaurant war ich völlig hilflos. Plötzlich ertappe ich mich dabei, dass ich das Amulett mit einer Hand umklammere. Das ist mein Schutz. Sobald ich die warnende Hitze spüre, weiß ich, dass sie in der Nähe ist. Und diesmal werde ich das Miststück erschießen, sobald ich sie sehe, ganz gleich, wo wir sind.
Auf dem Parkplatz vor der Fabrikhalle herrscht immer noch Betrieb. Lastwagen fahren eine Laderampe an der Seite an, einer nach dem anderen. Ich fahre schnurstracks bis vor die Tür und stelle mich auf einen markierten Besucherparkplatz. Ich überprüfe die Achtunddreißiger und stecke sie in die Jackentasche. So komme ich schneller dran.
Ich berühre das Amulett. Es ist kalt. Eine Pistole und ein Amulett. Ich überlasse wirklich nichts dem Zufall.
Durch eine Glastür gelange ich in einen Empfangsbereich. Schlicht, zweckmäßig, keine schicken Möbel, nur ein übergroßer metallener Schreibtisch, hinter dem eine Frau sitzt, einen Computerbildschirm vor sich und ein Headset am Ohr. Sie ist Mitte zwanzig und stylisch gekleidet, mit einem leichten Hosenanzug und Seidenbluse.
Sie hat dunkles Haar und dunkle Augen. Als sie zu mir aufblickt und freundlich lächelt, spüre
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