Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
zu sein. Sie hält mir den Führerschein unter die Nase, damit ich ihr Geburtsdatum lesen kann. Ich schaue von dem Führerschein zu der Frau und wieder zurück. »Soll das ein Witz sein?«
Sie lacht. »Nein. Ich verwende selbst Eternal Youth. Und ich bin zweiundfünfzig Jahre alt.«
Ich reagiere genau so, wie sie es erwartet hat – mit verblüfftem Staunen ob ihrer Verwandlung. Ich verzichte darauf, ihr zu sagen, dass sie vermutlich irgendwie verzaubert wurde und die Frau, die sie so sehr bewundert, eine kaltblütige Mörderin ist und ganz sicher einen komplizierteren Plan verfolgt, als alternde Haut zu verjüngen. Belinda Burke ist keine Wohltäterin. Stattdessen nehme ich die Mappe mit, bedanke mich für ihre Zeit und gehe. Ich werde heute Nacht wiederkommen, wenn ich mir Burkes Akten vornehmen und mir selbst ein Bild davon machen kann, was hier vorgeht.
Vom Auto aus rufe ich Williams an. Ich sage ihm, für wen Belinda Burke sich ausgibt, und er verspricht mir, diese Information an Ortiz weiterzuleiten. Wir können ihr nicht nachweisen, dass sie irgendetwas Illegales getan hat, noch nicht. Also kann die Polizei sich offiziell nicht einschalten. Aber Ortiz könnte vielleicht seine guten Verbindungen nutzen und sie aufspüren.
Dann rufe ich Frey an. Diesmal geht er ans Telefon. Er klingt völlig erschöpft. Culebras Zustand hat sich einmal verschlimmert, vor etwa einer Stunde, doch Frey konnte seinen Gegenzauber anpassen, und Culebra schläft wieder ruhig. Ich erzähle ihm, was ich erfahren habe. Culebras Rückfall dürfte mit meiner Konfrontation mit Burke in dem Restaurant zusammenhängen. Jetzt weiß sie, dass wir gegen sie arbeiten.
Was ich Frey nicht erzähle: Sie weiß außerdem, dass er es ist, der Culebra am Leben hält. Er kann gerade nicht noch mehr Sorgen gebrauchen. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«, frage ich Frey.
»Ja«, antwortet er. »Finde diese Burke und bring das Miststück um.«
Kapitel 15
Ich weiß nicht, wohin mit mir. Ich kehre zu meinem Beobachtungsposten oberhalb der Fabrikhalle zurück. Es ist jetzt mitten am Nachmittag. Immer noch rollen Autos und Lastwagen zum Tor hinein und heraus. Das Warten macht mich verrückt. Williams hat nicht angerufen, was bedeutet, dass Ortiz noch nichts für mich hat. Mein erster Plan – in die Fabrik einzubrechen – erscheint mir am sinnvollsten.
Ich mache es mir bequem und warte, woran ich in meinem Beruf eigentlich gewöhnt sein sollte. Observation gehört für Kautionsagenten einfach dazu. Aber normalerweise habe ich David bei mir, der mir hilft, die Zeit totzuschlagen. Hier bin ich ganz allein, und die Sache ist persönlich.
Ich blättere noch eine Weile in der Broschüre von Eternal Youth herum. Zwei Dinge fallen mir auf: die dramatischen Resultate, die diese Creme offenbar hervorbringt, und der Preis dafür. Burke bekommt zweihundertfünfzig Dollar für einen großen 340 ml Tiegel… eine Monatspackung. Autsch.
Ich lege die Mappe beiseite und analysiere jedes Wort, das Burke im Restaurant zu mir gesagt hat. Sie hat erwähnt, sie hätte gern mehr Zeit gehabt. Mehr Zeit wozu? Und was für »Knüppel« hat das Leben ihr zwischen die Beine geworfen? Culebras plötzliches Auftauchen? Er muss sie erkannt haben, aber wie? Ich habe sie jedenfalls nicht wiedererkannt. Oder war die ganze Geschichte, die er mir über eine Reise erzählt hat, vielleicht gelogen? War er die ganze Zeit über da?
Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Das Einzige, was für mich eindeutig ist, ist die Drohung gegen Culebra und Frey. Daran ist nichts rätselhaft. Verdammte Warterei.
Erst um Mitternacht kehrt da unten Ruhe ein. Inzwischen juckt es mich vor Ungeduld am ganzen Körper. Ich sehe zu, wie das letzte Auto vom Parkplatz fährt. Falls es einen Wachmann gibt, ist der jedenfalls nicht mit dem Auto gekommen. Ich sprinte den steilen Abhang hinunter und gehe zur Rückseite des Gebäudes.
Ich hatte reichlich Zeit, mir zu überlegen, wie ich einbrechen sollte. Die Halle ist etwa drei Stockwerke hoch. Die einzigen Fenster befinden sich direkt unter dem Dach. Das sind altmodische Fenster ohne Fensterbretter. Ich gehe zweimal um das Gebäude herum, bis ich eines finde, das anscheinend nicht ganz geschlossen ist. Es wäre mir lieber, nichts beschädigen zu müssen, deshalb trete ich ja nicht einfach die Tür ein und spaziere vorne hinein.
Zum zweiten Mal an diesem Tag benutze ich meine Fähigkeit, an senkrechten Wänden hochzukrabbeln. Das macht richtig Spaß. Als
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