Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
Kopf. Ich brauche mir nur mal meinen eigenen Lebensstil anzusehen. Versuche ich nicht genau dasselbe? Ein »normales« Leben zu führen?
Brooke reibt immer noch die Wange an Ortiz’ Brust, als könnte sie ihm gar nicht nah genug sein. Er umfasst ihr Kinn mit einer Hand, neigt ihr Gesicht zu sich hoch und küsst sie. Dabei ist er überhaupt nicht verlegen, es ist ihm nicht im Mindesten peinlich, dass ich direkt vor ihnen sitze. Intime Augenblicke mit Fremden zu teilen, ist für diese beiden vielleicht ganz normal.
Ich bin erleichtert, als es an der Tür klingelt.
Ortiz windet sich aus Brookes Umarmung und geht zur Tür. Der Blick, mit dem Brooke mich anstarrt, gibt mir das ungute Gefühl, dass ich vielleicht den falschen Vampir um Hilfe gebeten habe. Das Gefühl verstärkt sich noch, als Ortiz mit einer Blondine im Regenmantel hereinkommt.
»Anna«, sagt Ortiz, »das ist Edie.«
Edie sieht mich mit zur Seite geneigtem Kopf und eigenartig intensivem Blick an. »Hallo, Anna«, sagt sie. Sie knöpft den Regenmantel auf und lässt ihn von ihren Schultern gleiten. Sie ist nackt. Ortiz und Brooke stehen jetzt beide neben ihr. Ortiz schmiegt die Hand um ihre linke Brust, Brooke um die rechte.
Edie lockt mich mit erhobenem Zeigefinger. »Komm spielen.« Ich bin so baff, dass es mir die Sprache verschlägt.
Ich weiß, dass viele Vampire auf Gruppensex stehen, aber ich hätte nie vermutet, dass Ortiz auch dazugehören könnte. Oder dass seine Freundin bereit wäre, ihn zu teilen. Hitze steigt mir ins Gesicht. Ich hätte wohl deutlicher formulieren sollen, was ich möchte. Ich bin nicht prüde. Ich habe eine Menge One-Night-Stands genossen, sowohl vor als auch nach meiner Verwandlung, aber das hier geht entschieden zu weit.
Da sitze ich in Ortiz’ durchgestyltem Wohnzimmer, und die Erkenntnis, was die drei Fremden, die mich so anstarren, von mir erwarten, lässt mich beinahe durchdrehen. Ich schlucke meine Demütigung und Verlegenheit hinunter und durchbohre Ortiz mit einem drohenden Blick. Kommt nicht in Frage, Ortiz.
Ortiz reagiert mit einem verwunderten Blick. Was ist denn? Du hast doch gesagt, du willst einen Wirt. Er lächelt Edie an. Ich habe dir einen besorgt.
Für mich allein. Nicht diese…
Er schnaubt. Komm schon, Anna. Williams hat mir viel von dir erzählt. Du bist nicht gerade die kleine Unschuld. Du hattest jede Menge sterblicher Liebhaber.
Meine Verlegenheit weicht echtem Ärger. Einen auf einmal. Unter vier Augen.
Ortiz starrt mich an, als könnte er nicht fassen, wie sich die Sache entwickelt. Das Schlimmste ist, dass ich tatsächlich dringend trinken muss. Der Hunger frisst mich auf. Aber ich weigere mich, das vor Publikum zu tun. Ich trete mental einen Schritt zurück und atme tief durch.
Hör mal, Ortiz, es tut mir leid, wenn ich den Eindruck erweckt haben sollte, dass ich mehr will als Blut. Ich kann das nicht. Wenn Edie bereit ist, mich von ihr trinken zu lassen, werde ich sie dafür bezahlen. Willst du sie fragen, oder soll ich es tun?
Ortiz runzelt die Stirn. Er sieht richtig angefressen aus, weil ich nicht mitmachen will. Du hast mir mal angeboten, mit mir zu schlafen. Sein Tonfall summt vor Protest.
Und du hast mich abgewiesen. Wegen deiner Freundin, wenn ich mich recht erinnere. Ich dachte, du wolltest ihr nicht untreu sein. Mir war nicht klar, dass du sie lieber dabeihaben wolltest.
Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch Brooke unterbricht ihn. »Was ist los?«, fragt sie. »Mario, du hast mir gesagt, dass sie spielen will. Du hast es versprochen.« Mario? Bis gerade eben kannte ich nicht mal Ortiz’ Vornamen. Wir wenden uns beide Brooke zu.
Sie sieht uns mit gerunzelter Stirn an wie ein schmollendes Kind. In mir erwacht das Gefühl, dass dieses Kätzchen Krallen hat. Ich sehe Ortiz an. Was hast du ihr versprochen?
Sein Geist verschließt sich mir mit einem Schnappen, und vor Zorn spannt er den Kiefer an. Er nimmt Brooke beim Arm. »Anna hat es sich anders überlegt. Sie möchte mit Edie allein sein.«
Ich habe es mir anders überlegt? Ich öffne den Mund, um eine passende Erwiderung zu fauchen, doch Edie lenkt mich ab. Sie hat ihren Regenmantel aufgehoben und legt ihn sich über einen Arm. »Kein Problem. Gehen wir.« Sie zieht ein kleines, scharfes Messer aus der Manteltasche und streicht leicht mit der Klinge über ihre Zunge. Dann fährt sie sich mit der Zunge über die Lippen und beschmiert sie mit Blut. »Ich bin so weit.«
Als sie lächelt, beginnt es in mir zu
Weitere Kostenlose Bücher