Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
hat.
»Himmel.« Diesmal spreche ich es laut aus. »Da bin ich ja mal gespannt, was du mir zum Geburtstag schenken wirst.« Lances Lachen klingt nach einer Mischung aus Erleichterung und Freude. Mit zwei Schritten ist er bei mir. Ich hebe die Hände und stemme sie gegen seine Brust. »Holla, Cowboy. Nicht so schnell. Ich habe einen Haufen Fragen an dich.«
Er tritt einen Schritt zurück. »Schieß los.«
Adele hat doch etwas zu trinken erwähnt. Ich blicke mich um und entdecke eine Art kleine Hausbar. Ein kleiner Kühlschrank, ein Sektkühler mit einer Flasche Weißwein, daneben Rotwein und Gläser. »Gibt es da drin vielleicht ein Bier?« Er ist so schnell an dem Kühlschrank, dass ich seiner Bewegung kaum folgen kann, und im Nu mit zwei Flaschen Corona und Limettenscheiben auf einem Tellerchen wieder zurück. Er hält mir eine der Flaschen hin und deutet aufs Sofa.
Ich nehme das Bier, presse ein Limettenscheibchen im Flaschenhals aus und trinke einen Schluck. Währenddessen überlege ich, nach welcher Existenz ich ihn zuerst fragen soll – der gegenwärtigen oder der vergangenen, der des Menschen oder des Vampirs. Ich lasse mich in weiche Sofakissen sinken, mache es mir so gemütlich, dass ich Lance sehen, sein Mienenspiel beobachten kann, und lege los.
Kapitel 7
Ich beschließe, mit etwas Einfachem anzufangen, etwas Alltäglichem, um seine Reaktion einzuschätzen. »Woher wusste Adele, dass wir kommen?«
Lance ist überrascht. Er hat etwas Annamäßigeres erwartet, wie »Was zum Teufel läuft hier eigentlich?« Das erkenne ich daran, wie sich seine Mundwinkel nach unten verziehen und die Augenbrauen hochschnellen. Er fasst sich rasch und antwortet: »Ich habe sie heute Morgen angerufen. Als du reingegangen bist, um das Laken zu holen.«
»Wie?«
Begreifen blitzt in seinen Augen auf. »Von meinem Handy. Keinerlei magische Verbindung.«
»Wer ist sie? Sie scheint dich ziemlich gut zu kennen. Weiß sie, was du bist?«
Er schüttelt den Kopf. »Dass ich ein Vampir bin? Nein. Aber sie weiß, dass ich... nicht normal bin. Sie hat mich nie danach gefragt, was genau ich bin, und ich habe ihr nichts gesagt. Sie ist die Enkelin einer alten Freundin der Familie. Ihre Eltern haben in Südafrika für uns gearbeitet. Ich habe die Familie nicht aus den Augen verloren. Als ich vor fünfundvierzig Jahren nach Amerika kam, war sie noch ein Baby. Später ist sie an der Ostküste aufs College gegangen, und wir haben uns ein- oder zweimal gesehen. Nach ihrem Abschluss ist sie nach Kalifornien gekommen, weil sie ein Jobangebot hatte. Es ist nichts daraus geworden. Ich hatte dieses Anwesen geerbt, also habe ich sie gefragt, ob sie gern hier wohnen würde – sich um das Haus kümmern, während ich weg bin, das restliche Personal führen, wenn ich da bin. Ursprünglich war das als vorübergehende Lösung gedacht. Aber sie ist geblieben.«
»Und wann war das?«
»Vor zwanzig Jahren.«
»Dann ist sie also Mitte vierzig. Sie weiß, dass du achtzig Jahre alt bist. Sie sieht so alt aus, wie sie ist, während du rein äußerlich ihr Enkel sein könntest. Und dazu hat sie dir nie irgendwelche Fragen gestellt? Was ist sie? Eine Hexe? Oder Gestaltwandlerin?«
Lance winkt ab. »Sie ist eine gute Freundin und eine sehr tüchtige Hausdame. Mehr brauche ich nicht zu wissen. Sie hat hier ein Zuhause, solange sie will.«
»Das habe ich damit nicht gemeint, und das weißt du auch.«
Seine Antwort lockt meinen animalischen Selbsterhaltungstrieb hervor. »Sie ist ein Mensch, und du scherst dich nicht darum, ob sie sich fragt, was du bist? Hast du keine Angst, dass sie irgendwann die Verbindung herstellen und dir im Schlaf einen Pflock durchs Herz stoßen könnte?«
Er runzelt die Stirn. »Bis jetzt nicht, nein.«
Ich sehe mich um. Das Haus in Malibu ist flippig eingerichtet, mit Warhols an den Wänden und mutigen farbigen Akzenten. Das Schönste daran ist das Meer ein paar Schritte hinter der gläsernen Wand. Die sonnige, sich beständig wandelnde Landschaft wirkt wie davon eingerahmt. Dieser Raum hingegen fühlt sich düster und schwer an, voll alter Dinge und noch älterer Erinnerungen. Ich mache eine Geste, die den ganzen Raum einbezieht. »Das bist nicht du.«
»Stimmt«, entgegnet er, ohne zu zögern. »Es ist praktisch noch genau so, wie ich es geerbt habe. Ich verbringe nicht viel Zeit hier, weißt du? Hin und wieder mal ein Wochenende. Inzwischen ist das eher Adeles Haus als meines.«
»Aber du hast Freunde hier. Sie hat
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