Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
sich erst milde neugierig, warum er mich nicht erreichen kann, wird dann besorgt, weil sein Anruf direkt auf der Mailbox landet, ist allmählich gereizt, als er bei mir zu Hause vorbeischaut und mich nicht findet, und richtig wütend wird er, als ich es am Montag immer noch nicht für nötig befunden habe, mich bei ihm zu melden. »Verdammt noch mal, Anna! Wo zum Teufel steckst du?«
»Schlechte Neuigkeiten?«, fragt Lance.
»Kann sein, dass ich meinen Job los bin.«
Lance grinst und hält sich sein eigenes Handy ans Ohr. Das Lächeln verblasst jedoch rasch, während er seine Nachrichten abhört. Ja, ich würde darauf wetten, dass er jetzt einen ganz ähnlichen Gesichtsausdruck hat wie ich gerade eben.
»Ooh«, sage ich. »Was hast du vergessen?« Er schaut auf die Uhr, und ich tue automatisch dasselbe. Es ist kurz vor neun.
»Himmel«, sagt er. »Ich bin für ein Fotoshooting in L.A. gebucht, in einer halben Stunde. Könntest du mich am Flughafen absetzen? Ich nehme den nächsten Flug.« Er wartet nicht auf eine Antwort, sondern wählt eine Nummer und erklärt der Person am anderen Ende, dass er leider aufgehalten wurde und sich etwa zwei Stunden verspäten wird. Dann legt er auf.
Er lenkt den Wagen auf die Straße. Seine Stirn ist gerunzelt, bis er plötzlich den Kopf schüttelt und sich im Fahrersitz aufrichtet. »Ich fliege nicht nach L.A. Was habe ich mir da gerade nur gedacht? Ich bleibe hier bei dir.«
Er greift wieder nach seinem Handy, aber ich halte ihn auf. »Natürlich fliegst du nach L.A. Ich komme schon klar. Und falls irgendetwas passiert, kann ich ja Frey anrufen.« Und es wird nichts passieren. Immerhin glauben Williams und Underwood, dass ich ab jetzt mit ihnen zusammenarbeite. Was Lance natürlich nicht weiß.
Lances Miene wirkt nicht überzeugt. »Was, wenn du wieder angegriffen wirst? Was, wenn Williams es noch einmal versucht? Du brauchst jemanden, der dir Rückendeckung gibt. Das kann ich von L.A. aus nicht.« Hier kann er das auch nicht. Im Moment ist das Beste, was er für mich tun kann, sich selbst aus der Gefahrenzone zu schaffen.
»Lance, vertrau mir. Ich werde mit allem fertig, was Williams aufbieten könnte. Wie lange wirst du bleiben?«
»Ich könnte morgen Abend wieder hier sein.«
»Wunderbar. Ich verbringe den Tag heute mit David, und morgen wahrscheinlich auch. Du brauchst keinen gutbezahlten Auftrag abzulehnen, um für mich den Babysitter zu spielen. Tolle Posen brauchen eben ihre Zeit.«
Daraufhin bringt er sogar ein Lächeln zustande. »Und du fährst auch direkt ins Büro?«
»Ich will es hinter mich bringen.«
Wir fahren bis zum Zubringer-Terminal von Lindbergh Field. Lances Gesicht nimmt wieder einen verkniffenen, besorgten Ausdruck an. Er hält vor dem Eingang, steigt aber nicht aus. »Ich glaube, das ist keine gute Idee. Ich sollte dich nicht allein lassen.«
Ich versetze ihm einen kleinen Stoß. »Nun geh schon. Du kannst nicht den Rest deines Lebens auf mich aufpassen. Außerdem muss ich jetzt David gegenübertreten. Von dem habe ich im Moment mehr zu befürchten als von Williams oder Underwood. Und was kann er schlimmstenfalls tun? Mich erschießen? Mit Kugeln komme ich klar. Also los.«
Trotz allem, was ich Lance erzählt habe, fahre ich nicht direkt ins Büro. Ich muss mich umziehen. Allerdings parke ich vorsichtshalber am Mission Boulevard, statt bis vor die Garage zu fahren. Warum ein Risiko eingehen, wenn Williams womöglich eine weitere Überraschung für mich geplant hat? Das sähe ihm ähnlich – eine »Komm mir ja nicht blöd«-Geste. Aber ich sehe und spüre nichts Ungewöhnliches, als ich mich meinem Strandhaus nähere. Eine halbe Stunde später bin ich wieder unterwegs.
Jetzt, während der Fahrt ins Büro, kann ich nur noch an den Empfang denken, den David mir sehr wahrscheinlich bereiten wird. Wir sind seit mehreren Jahren Partner in unserer eigenen Firma, aber erst im vergangenen Jahr, seit ich zum Vampir geworden bin, ist unsere berufliche Beziehung ernsthaft auf die Probe gestellt worden. Ich verschwinde manchmal tagelang (wie dieses Wochenende zum Beispiel), ich kann viele der Sachen nicht mehr machen, die wir gern zusammen unternommen haben, wie essen gehen (ich kann schließlich nichts verdauen) oder mit ihm im Fitness-Studio trainieren (große Spiegel überall). Und offenbar kann ich keine Frau ertragen, zu der er sich hingezogen fühlt (was kann ich dafür, dass meine Menschenkenntnis so viel besser ist als seine?).
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