Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
solche Sorgen um dich gemacht.«
Ich aale mich in der Wärme seiner aufrichtigen Besorgnis. »Ich wollte nicht so lange wegbleiben. Es tut mir leid, wenn ich euch einen Schrecken eingejagt habe.« Ich blicke zu Frey hinüber. »Ehrlich.«
Lance lächelt auf mich herab, und meine beruhigenden Worte senden eine Woge der Erleichterung durch seinen Geist und Körper. Ich drücke ihn an mich, berge das Gesicht an seiner Schulter und halte meine Gedanken verhüllt. Doch als ich zu Frey hinüberschaue, macht er ein finsteres Gesicht. Seine Miene sagt deutlich, dass er Blödsinn erkennt, wenn er ihn hört. Ausnahmsweise bin ich froh darüber, dass er keinen Zugang zu meinem Kopf mehr hat.
Lance und ich haben uns in sein Schlafzimmer zurückgezogen, Frey in ein Gästezimmer auf demselben Flur. Aus irgendeinem Grund hat Frey mich vor Lance nicht wegen der Stunde, die ich verschwunden war, ausgequetscht. Vielleicht wollte er warten, bis wir allein waren, aber das hat sich bisher nicht ergeben. Mein Glück.
Ein Glück auch, dass wir Adele nicht begegnet sind, die sich nach meinem Ohrring hätte erkundigen können. Da wir morgen bei Sonnenaufgang losfahren wollen, hoffe ich, dass sie auch nicht mehr dazu kommen wird. Lance wartet im Bett auf mich. Ich schlüpfe neben ihn, und er beugt sich über mich. Seine Finger zeichnen die Konturen meines Gesichts nach, meine Lippen. »Bist du zu müde?«
Ich ziehe ihn an mich und presse mich an seinen Körper. »Hast du schon mal erlebt, dass ich zu müde gewesen wäre?«
Er lässt die Hände über meinen ganzen Körper wandern. Er will es langsam angehen lassen, mich necken und reizen, alle Arbeit übernehmen. Will mit den Fingern und den Lippen den süßesten Punkt finden und mich bis an den Rand treiben. Aber mein Blut kocht bereits, mein Körper vibriert vor Verlangen danach, ihn in mir zu spüren. Ich nehme ihn, führe ihn ein, dränge ihn mit Hüften und Schenkeln und treibe ihn flüsternd an, bis wir uns beide nicht mehr zurückhalten können. Wir kommen gemeinsam in einer gewaltigen Woge der Erlösung.
Später, als ich still und ruhig neben ihm liege, bin ich sicher. Ganz gleich, was passiert: Das, was ich heute Abend getan habe, um ihn zu schützen – um alle zu schützen –, war das einzig Richtige.
Bei Sonnenaufgang brechen wir auf. Adele kommt aus ihrem Zimmer, als wir gerade zur Tür hinausgehen, aber sie ist noch zu verschlafen für mehr als eine kurze Umarmung und ein freundliches Winken, ehe sie die Tür hinter uns schließt. Eine Katastrophe wäre schon mal verhindert. Ich werfe Lance den Autoschlüssel zu. Frey nimmt auf dem Beifahrersitz Platz.
Also sitze ich allein hinten. Gut. Die Jungs werden ihre Männergespräche führen, worum auch immer sich so was dreht, und ich kann mich in den Sitz sinken lassen und mit meinen Gedanken allein sein. Verhüllten Gedanken, nur für den Fall, dass Frey Lance zu einem unangekündigten Besuch in meinem Kopf anstiften sollte. Ich weiß, dass er immer noch einige Fragen über den gestrigen Abend hat. Es sähe ihm ähnlich, Lance als Spion in meinen Kopf zu schicken.
Lance. Er ist so gut, so vertrauensvoll. Er kennt mich noch nicht so lange wie Frey. Fühle ich mich mies, weil ich ihn getäuscht habe? Nein. Ich sollte mir wohl eher Sorgen um diesen Pakt machen, den ich mit Williams und Underwood geschlossen habe, als darum, dass ich ihn Lance verheimliche.
Ich versuche, ein bisschen Nervosität aufzubringen, aber ehrlich gesagt lande ich immer wieder bei diesem alten Sprichwort: Von zwei Übeln ist das kleinere das, was man schon kennt. Oder in diesem Fall, die zwei Übel, die man schon kennt. Es wird nicht einfach sein, mit Williams zusammenzuarbeiten, aber je eher ich ihm erlaube, mich bekehren zu wollen, desto schneller kann ich ablehnen. Und mit ihm abrechnen. Zusammen mit Underwood.
Aber erst werde ich die Antworten bekommen, die ich brauche. Williams streicht schon das ganze letzte Jahr darum herum wie die Katze um den heißen Brei.
Ich muss zugeben, dass Freys Reaktion auf diese »Auserwählten«-Geschichte mich schon betroffen macht. Ein Auserwählter zerstört doch meist... irgendetwas. Eine der ersten Lektionen, die ich nach meiner Verwandlung gelernt habe, war die, dass sich der Charakter einer Person dadurch nicht verändert.
Wenn jemand ein guter Mensch ist, wird er auch als Vampir gut bleiben. Kein Geld und keine Macht der Welt könnten mich in Versuchung führen, das zu missachten, was mir mein ganzes Leben
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