Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
lang am wichtigsten war – Familie, Freunde, und jetzt Lance. Frey weiß das alles. Wie kann er dann glauben, ich sei irgendwie zu beeinflussen?
Ich beobachte das freundschaftliche Geplänkel der beiden Männer auf den Vordersitzen. Gestern hat Frey wirklich dramatisiert und sich übertrieben um mich gesorgt. Lance hat ihm das abgekauft, weil ich ihm etwas bedeute. Und er mir. Aber ein Puzzleteilchen fehlt noch.
Wie konnte Underwood mir bei unserer ersten Begegnung so stark zusetzen? Das kann nicht nur an der Magie gelegen haben – die gleiche Reaktion habe ich auch bei diesem Rocker Black erlebt. Da war gar keine Magie im Spiel. Er war ein gewöhnlicher Mensch. Nein, es kann nicht daran liegen, wer sie waren. Es muss daran liegen, was sie waren. Bösartig, heimtückisch, grausam.
Himmel, wird es mir ab jetzt jedes Mal so gehen, wenn ich einem üblen Kerl begegne? Ich werde lernen müssen, mit dieser Wirkung auf mich umzugehen oder sie zu unterdrücken, denn sonst bliebe mir kaum etwas anderes übrig, als mein restliches Dasein als Vampir versteckt in einer Höhle zu verbringen. Meine Gedanken zu verbergen ist anstrengend. Frey und Lance schwatzen über Baseball – dabei kann ich mir nicht vorstellen, dass einer von beiden das Thema wirklich interessant findet. Sie werfen mit Initialwörtern wie ERAs und RBIs nur so um sich. Das entlockt mir ein Lächeln.
Ich höre eine Zeitlang zu, und der Klang ihrer Stimmen entspannt mich. Es wäre ganz leicht, jetzt einzunicken. Ich sollte nicht dagegen ankämpfen. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich noch nicht wieder ganz bei Kräften. Und im bevorstehenden Kampf werde ich meine ganze Energie brauchen. Es wird einen Kampf geben, da bin ich ganz sicher. Nur nicht die Art, die Frey sich vorstellt. Das wird eine sehr persönliche Schlacht zwischen Williams und Underwood auf der einen und mir auf der anderen Seite.
Aber ein Kampf worum? Ich habe Williams nie für böse gehalten. Nur für irregeleitet und ebenso stark auf seine eigenen Ziele bedacht wie ich. Aber er arbeitet mit Underwood zusammen, also kann ich diesen Zielen nicht mehr trauen. Underwood ist der ältere, mächtigere Vampir, und er ist skrupellos. Sein Einfluss auf Williams kann nicht gut sein. Ich wünschte, ich hätte früher von dieser Allianz gewusst.
Ich schließe die Augen. Wenn Lance mir doch nur genug vertraut hätte, um mir die Wahrheit darüber zu sagen, wie wir uns kennengelernt haben. Tja, zu spät, sich deswegen einen Kopf zu machen. Ich bin müde. Ich habe es bequem in weichem, warmem Leder. Zwei der liebsten Männer in meinem Leben sind da. Ich fühle mich sicher und behütet.
Ich entspanne mich und lasse mich von den leisen Stimmen vorne sacht in den Schlaf lullen.
Kapitel 21
Ich erwache vom Knallen einer Autotür. Freys lächelndes Gesicht blickt auf mich herab, als er die Fondtür öffnet. »Bist du endlich aufgewacht.«
Wir haben Freys Wohnanlage erreicht. Er hält mir die Tür auf. »Möchtet ihr noch mit reinkommen?«
»Ist Layla da?« Das ist eine automatische Gegenfrage. Layla ist seine Freundin. Sie mag mich nicht. Vielleicht, weil sie weiß, dass Frey und ich mal miteinander geschlafen haben.
Vielleicht auch deshalb, weil ich Frey ständig wegen irgendeiner Krise von ihr wegrufe. Oder vielleicht (und am wahrscheinlichsten), weil er auch jedes Mal kommt. Frey kann meine Gedanken nicht lesen, aber das merkt man kaum. »Ich weiß nicht, was mit euch beiden ist«, sagt er kopfschüttelnd, während ich aussteige. »Aber, ja, Layla ist höchstwahrscheinlich zu Hause.«
Ich küsse ihn auf die Wange. »Dann ein andermal.« Ich halte ihn an der Hand zurück, als er sich abwendet. »Danke.«
Er drückt meine Finger und schließt das Sicherheitstor auf. Lance und ich schauen ihm nach, bis er den Fußweg entlang verschwunden ist. Ich nehme neben Lance Platz, und wir fahren zum Strandhaus. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich vier Tage lang weg war. Vier Tage. Dann ist heute Dienstag. Scheiße. Ich schnappe mir mein Handy, nur um festzustellen, dass die Batterie leer ist.
Lance wirft mir einen Seitenblick zu. »Was ist los?«
Ich durchwühle das Handschuhfach nach dem Ladekabel. »Ich glaube, David und ich hatten gestern einen Auftrag. Er wird stinksauer auf mich sein.«
Ich hole das Kabel heraus und schließe es am Zigarettenanzünder an. Als das Handy wieder geht, verziehe ich das Gesicht – sechs Nachrichten von meinem Partner. Jede ist schlimmer als die vorherige. David erkundigt
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