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Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht

Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht

Titel: Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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und Bitterkeit über seinen Verrat. Ich bekomme keine Antwort. Ich springe von der steinernen Bahre, an die ich gefesselt war. Sie ist erhöht und von Kerzen umgeben – eine Art Altar, auf dem Underwood sich in irgendeinem Ritual mit mir vereinen wollte. Wozu nur? Ist dies das Schicksal der Auserwählten? Bedeutet es das, die Eine zu sein? Es soll mir bestimmt sein, von einem Irren vergewaltigt zu werden, vor den Augen einer durchgeknallten Sekte von... Ich weiß nicht mal, was das für Leute sind.
    Am Kopf des Altars steht eine Frau. Sie presst ein Weihrauchfass, wie man es in Kirchen benutzt, an einer silbernen Kette an sich. Rauch steigt kräuselnd aus dem Gefäß auf und verpestet die Luft. Als sie meinem Blick begegnet, fällt das Weihrauchfass scheppernd zu Boden. Das Räucherwerk flammt auf und erlischt gleich darauf. Ich packe sie bei der Kehle, ehe sie fliehen kann. »Was seid ihr?« Sie sieht mich blinzelnd an, als verstehe sie die Frage nicht. Ich schüttele sie. »Was seid ihr?«
    Sie erschlafft in meinen Händen. Als ich sie loslasse, fällt sie zu Boden, und ihr Hals ist in einem seltsamen Winkel verdreht. Ich greife nach dem Mann neben ihr. Er zuckt nicht zurück oder versucht, mir zu entkommen. Er schlägt die Augen nieder und neigt den Kopf. »Mutter«, flüstert er. »Mari.«
    »Nein.« Das Wort klingt wie ein Bellen. »Nein. Was zum Teufel seid ihr für Leute? Warum habt ihr mich hierhergebracht?«
    Die Frage scheint ihn zu verwirren. »Ihr seid die Göttin. Wir sind Eure Diener. Wir sind Sorginak. Wir sind hier, um Eurem Willen zu gehorchen. Euch zu dienen.« Er spricht Englisch mit starkem Akzent. Die Betonung auf der jeweils letzten Silbe bringt einen Singsang hervor, den ich erkenne. Das ist ein französischer Akzent. Ich werfe einen vernichtenden Blick auf Underwoods verschrumpelten Leichnam. »Und wer ist er?«
    »Er ist... « Eine Pause, ein Schaudern. »Er war Maju. Euer Gemahl. Er... wir... wir haben fünfhundert Jahre lang auf Eure Rückkehr gewartet.«
    Ich habe die Worte des Gesangs von vorhin wieder im Kopf. Jetzt ist mir auch klar, warum ich sie verstehen konnte. Drei Jahre Französisch an der Highschool und vier am College. Es war zwar nicht das Französisch, das ich gelernt habe, aber offenbar irgendein Dialekt. Ich lasse den Mann los, denn mehr ist er nicht. Nur ein gewöhnlicher Mann. »Was weißt du von fünfhundert Jahren? Du bist ein Sterblicher.«
    Er tritt einen Schritt zurück, hält den Kopf aber weiterhin gesenkt. »Unsere Ahnen haben Euch von Anbeginn an gedient. Wir werden Euch bis zum Ende dienen.« Er weist auf den Leichnam der Frau zu seinen Füßen. »Wir gehören Euch mit Leib und Seele.«
    Wut tobt immer noch in mir und färbt meine Gedanken rot vor Blutgier. Diese erbärmlichen, verblendeten Kreaturen hätten zugeschaut, wie Underwood mich vergewaltigt, und dabei ihre eigenen kranken Phantasien ausgelebt. Ich will ihnen die Kehlen herausreißen, einem nach dem anderen, und trinken, bis nichts mehr bleibt als leere Hüllen. Stattdessen kehre ich ihnen den Rücken zu. Ich greife nach dem Seidenfähnchen, mit dem ich zugedeckt war, und wickele es mir wie einen Sarong um den Körper. Als ich mich wieder umdrehe, hat die menschliche Anna halbwegs wieder die Kontrolle übernommen. Die einsetzende Rationalität bringt etwas mit sich.
    Die Erkenntnis, dass Lance mich Underwood ausgeliefert hat. »Wo ist der andere?«, frage ich.
    »Er ist fort.« Ich schließe die Augen. Einen Moment lang erlaube ich mir, die Flut von Trauer in mir zu spüren. Lance.
    Ich öffne die Augen wieder, packe den Mann, der mir am nächsten steht, und stoße ihn vorwärts. »Bringt mich hier raus.«
    Wortlos bewegt sich die Prozession durch die Höhle. Ich folge ihnen und beobachte sie. Ich ertaste die Umgebung mit allen Sinnen. Underwoods Blut fühlt sich dick und widerlich in meinen Adern an. Ich habe das Böse gekostet und brauche frisches, reines Blut, um mich von dem Gift zu befreien. Ich denke an Lance. Sein Duft hängt in der Luft. Er ist erst vor kurzem hier entlanggegangen. Nein. Keine Traurigkeit, nur Bitterkeit. Und Rachedurst. Sein Blut wird mir guttun.
    Als wir den Höhlenausgang erreichen, bleibt der Mann am Kopf der Prozession stehen. Er dreht sich zu mir um und neigt den Kopf. »Ich bin Zuria, Hohepriester in Euren Diensten. Ein Abkömmling des Maju. Er hat uns fünfhundert Jahre lang geführt. Da er nun nicht mehr ist, müsst Ihr uns Eure Anweisungen geben. Was sollen wir tun,

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