Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
Kleiderschrank gefunden. Hast du das Ding tatsächlich mal getragen?«
»Als ich menschlich war, hatte ich dich ja noch nicht. Da ist mir im Winter manchmal kalt geworden.«
Er betastet den schweren Stoff. »Kein Wunder, dass so viele sterbliche Frauen ein trübseliges Sexleben haben. Das hier ist ungefähr so aufreizend wie ein Flanellnachthemd.«
»Ein Glück, dass du nicht in die Kommode geschaut hast. Da sind ein paar drin.« Ich hake einen Finger unter den Gürtel und zupfe daran. »Außerdem – darin herumzulaufen ist nicht der aufregende Teil. Sexy wird es, wenn man das Ding auszieht.«
Er neigt das Gesicht zu mir herab. »Diese Theorie werden wir gleich überprüfen. Wenn ich uns einen Drink gemacht habe.« Er streift meine Lippen mit einem neckenden Kuss, tritt dann zurück und geht zur Küche. »Bin sofort wieder da.«
Ich fange wieder an, auf und ab zu laufen, sobald er außer Sicht ist. Was mache ich bloß? Ich habe nicht eine einzige Schlaftablette im Haus, mit der ich ihn betäuben könnte. Nicht dass dazu eine Tablette reichen würde. Vampire haben eine sehr starke Konstitution. Es bräuchte schon eine halbe Flasche, damit er überhaupt etwas merkt. Ich kann mich auch nicht dazu überwinden, ihn niederzuschlagen. Ich könnte ihn schon bewusstlos schlagen, aber das würde weh tun. Und Kopfschmerzen sind Kopfschmerzen, ganz egal, welcher Spezies man angehört.
Und wenn er wieder zu sich kommt, was dann? Es wäre sein gutes Recht, furchtbar wütend auf mich zu sein. Sich um mich zu kümmern war in letzter Zeit nicht einfach. Was, wenn er mich danach nicht mehr sehen will? Ich bin noch nicht bereit für eine Trennung. Ich habe ihn gern um mich. Er gibt mir ein gutes Gefühl, und ich mag es, wie perfekt wir zusammenpassen.
Scheiße. Das Einzige, was feststeht, ist, dass ich ihm nicht die Wahrheit sagen kann. Sonst würde er darauf bestehen, mit mir zu kommen, und das will ich nicht riskieren. Underwood hat bereits bewiesen, wie gleichgültig Lance ihm ist. Ich werde es nicht auf einen weiteren Versuch ankommen lassen, Lance umzubringen.
Lance erscheint mit zwei Gläsern, einem Becher voll Crushed Ice, einem Teller Limettenschnitzen und einer offenen Flasche Tequila. »Woran denkst du?«
»Komische Frage von einem Vampir«, erwidere ich.
Er füllt die Gläser mit Eis und Tequila und reicht mir eines. »Eigentlich nicht. Jedenfalls nicht heute Abend.« Seine Miene ist ernst, sein Blick reserviert – ein Abbild der Barriere, die er um seine eigenen Gedanken errichtet hat. »Du hast mich fast den ganzen Tag lang aus deinem Geist ausgeschlossen. Möchtest du mir nicht sagen, warum?«
Er hebt das Glas, wir stoßen an und trinken. Dabei weicht sein Blick nicht von meinem Gesicht. Ich bin diejenige, die zuerst wegschaut. Das bewerkstellige ich, indem ich so tue, als hätte ich ein wenig Tequila verschüttet, und mir mit der Hand den Mund abwische. »Herrgott. Ich bin so ungeschickt. Moment, ich hole mir eine Serviette.« Er nimmt mein Glas, und ich spüre seinen Blick im Rücken, als ich zur Küche gehe. Das wird sogar noch viel schwieriger sein, als ich dachte.
Ich zögere möglichst lange, ehe ich ins Wohnzimmer zurückkehre. Lance hat sich aufs Sofa gesetzt und mir nachgeschenkt. Ich habe immer noch keine Ahnung, wie ich es schaffen soll, in – unauffälliger Blick auf meine Armbanduhr – anderthalb Stunden ohne ihn das Haus zu verlassen.
Lances Stimmung hat sich aufgehellt. Lächelnd reicht er mir mein volles Glas. »Ich habe eine Idee«, sagt er. »Lass uns heute Abend trinken. Reichlich. Vergessen wir die letzten paar Tage und besaufen uns so richtig. Bis zum Umfallen.«
Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. Keine Betäubungsmittel. Keine Anwendung von Gewalt. Er hat sich praktisch selbst fürs Komasaufen entschieden. Ich brauche nur so zu tun, als tränke ich genauso viel wie er. Dann muss ich ihn irgendwie ablenken und meinen Drink loswerden. Im Wohnzimmer stehen genug Topfpflanzen herum, um das zu bewerkstelligen. Ich werde sie gießen, bis sie randvoll sind.
Ich grinse über meinen eigenen Scherz. »Klingt gut.« Ich neige den Kopf zurück und leere mein Glas in einem Zug. »Jetzt bist du dran.«
Lance hat uns schon nachgeschenkt. Ich hebe mein Glas an die Lippen und trinke. Ich weiß genau, wie viel ich vertrage. Noch ein, zwei Gläschen, dann werde ich aufhören. Ich weiß nicht, wie Underwood um Mitternacht Kontakt zu mir aufnehmen wird, aber wenn Lance so weitertrinkt, dürfte
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