Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
gegeben?«
Ein Lächeln. »Etwas Wunderbares. Er ist wirklich ein großer Junge, nicht? Und so... enthusiastisch.«
Meine Schultern spannen sich an. »Du hast ihn verführt?«
Sie lacht. »Falls du damit meinst, ob ich die Situation ausgenutzt habe, ist die Antwort ein entschiedenes Nein. Zum Sex braucht man ihn ja kaum zu ermuntern.« Ich habe das unheimliche Gefühl, dass da mehr war als Sex.
»Hast du dich von ihm genährt?«
Sie leckt sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. »Natürlich. Willst du mir etwa erzählen, du hättest das noch nie getan?«
Sie wirkt überrascht und lächelt dann voll gehässiger Befriedigung. »Hast du nicht. Du hast auch nicht mit ihm geschlafen. Wie lange arbeitet ihr schon zusammen? Du sitzt einem solchen Prachtstück von einem Hengst seit Jahren gegenüber und hast noch nie mit ihm gefickt.«
Mir steht das absurde Bild vor Augen, wie ich diese Frau zum ersten Mal gesehen habe: hier in diesem Raum, in einem geschmackvollen Cocktailkleidchen, mit funkelnden Diamanten an den Ohren und am Hals, während sie anbetungsvoll zu einem Mann aufblickte, der mich das ganze letzte Jahr lang gepiesackt hat. Der Kontrast zwischen diesem eleganten Frauchen und dem Miststück hier ist schon mehr als lächerlich. Sie ist seit nicht einmal drei Monaten ein Vampir. Sie glaubt, wir beide seien ebenbürtig. Sie hält diese Sache mit der Auserwählten für Blödsinn, obwohl die anderen daran glauben.
Und sie glaubt, wenn schon irgendjemand gewählt werden müsse, sei sie für diese Position wesentlich besser qualifiziert als ich. Diese Gedanken lässt sie durch, weil sie zu dumm ist, um zu bemerken, dass sie ihre Absichten aussendet. Im Geiste hat Judith Williams die Rolle der Einen bereits übernommen. Das ist der Grund für diese Party. Der Grund dafür, dass ich nicht eingeladen war und alles andere als herzlich empfangen wurde. Sie zeigt der Vampir-Elite, dass sie hier das Sagen hat. Da Averys Nachlass von Warren Williams verwaltet wurde, hat sie Zugang zum Haus und allem, was sich darin befindet. Die Tatsache, dass das alles mir gehört, ist bedeutungslos, denn auch das wird sie bald richtigstellen.
Sie hatte nie vor, David etwas anzutun. Sie wollte nur sichergehen, dass ich am Dienstag auftauche, denn jetzt bleibt nur noch die Herausforderung zu erledigen. Und sie ist fest davon überzeugt, dass ich den Kampf verlieren werde. Ich habe immer noch kein Wort gesagt, nicht darauf reagiert, dass sie bei David getrunken hat, und meine Gedanken abgeschirmt, so dass sie nicht lesen kann, was in meinem Kopf vor sich geht. All das beunruhigt sie allmählich. Gut.
»Ich gehe jetzt, Judith«, sage ich. »Und ich nehme David mit.« Ich wende mich ab, aber einer letzten Demütigung kann ich nicht widerstehen. »Schaff diese Leute aus meinem Haus. Das ist doch mein Haus, wenn ich mich nicht irre? Dein Mann hat Averys sämtlichen Besitz auf mich übertragen lassen, nicht wahr?«
Ihre Stimmung wird missmutig, gefährlich. Das ist mir gleich. »Du hast eine Stunde Zeit. Danach rufe ich die Polizei. Dann darfst du den Repräsentanten der dreizehn Stämme den Grund dafür erklären, dass ihr alle wegen Hausfriedensbruchs festgenommen werdet. Sie werden sicher Verständnis für dich haben. Ach, und da ist noch etwas. Ich hoffe doch, dass diese Blutswirte auf eigenen Beinen hier herausspazieren werden, gesund und munter. Ich mache dich persönlich für ihr Wohlergehen verantwortlich. Wenn du sie verletzt oder ich dich vor Dienstag wiedersehe, bist du tot.«
Kapitel 41
Ich kann David nicht finden. Er ist nicht mehr im Foyer, also versuche ich es in der Küche. Dena legt gerade mehr Champagner auf Eis. Ich sage ihr, dass sie jetzt Feierabend machen kann, weil die Party sowieso gleich vorbei sein wird. Ich ermuntere sie auch, schnell zu gehen, ohne ihr zu sagen, dass sie ansonsten Gefahr läuft, festgenommen zu werden, wenn die Polizei kommt. Sie wirkt verwundert, zieht aber ihre Schürze aus und schlüpft eilig zur Hintertür hinaus. Hoffentlich weiß Frey, wie man dieses Tor wieder aufkriegt. Dass wir es kaputt gemacht haben, kommt mir jetzt nicht mehr so schlau vor. Am Ende müssen wir David noch darüberhieven.
Ich gehe nach oben. Wie ich es hasse, hier zu sein, an der Tür zu Averys Schlafzimmer vorbeizumüssen. Ich frage mich, was Dena gedacht haben mag, als sie den Schaden gesehen hat, den ich letztes Mal hier angerichtet habe, und ob sie alles wieder in Ordnung gebracht hat. Aber ich mache die
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