Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
»Ich will duschen und mich umziehen. Dann fahre ich schnell bei dir vorbei und hole das Buch. In einer Stunde bin ich wieder hier.«
»Was ist mit der Schule? Wie viele Tage hast du inzwischen ausfallen lassen?«
Er hebt die Hand. »Die Antwort lautet: Referendarin. Sie hat detaillierte Lehrpläne und die richtige Einstellung. Sie kommt bestens ohne mich zurecht.«
Ich begleite ihn zur Tür. »Hier sind meine Schlüssel. Nimm den Jaguar.«
»Ich habe deine Schlüssel. Ist dir nicht aufgefallen, dass ich vorhin gefahren bin, als wir die kleine Party verlassen haben?«
Ja, allerdings. »Wann habe ich dir denn meine Schlüssel gegeben?«
»Hast du nicht. Ich habe es geschafft, die Zweitschlüssel mitgehen zu lassen, die du in der großen Zuckerdose auf der Küchentheke aufbewahrst – Pardon, aufbewahrt hast.«
»Sehr clever.«
»So sind wir Katzen.« Er öffnet die Tür. »Du bist nicht sauer deswegen?«
Wie könnte ich ihm böse sein? »Ich hätte längst auf die Idee kommen können, sie dir zu geben.«
Er verlässt mich mit einer letzten Ermahnung. »Schließ ab. Wir wissen nicht, wie wütend Judith Williams ist, aber es lohnt sich nicht, irgendein Risiko einzugehen. Eine verschlossene Tür wird sie nicht abhalten, aber so gewinnst du ein bisschen Zeit.«
Ich schließe die Tür hinter ihm ab, dann gehe ich in die Küche, wo das Telefon liegt.
Hoffentlich war Judith klug genug, ihre neuen besten Freunde aus Averys Haus zu schaffen. Denn jetzt wird sie erfahren, dass ich keine leeren Drohungen mache.
Es ist an der Zeit, die Polizei anzurufen.
Kapitel 42
David schläft immer noch, seit fast zwölf Stunden, und allmählich mache ich mir Sorgen. Ich sehe nach ihm, aber er atmet tief und gleichmäßig und scheint keinerlei Schmerzen zu haben. Ich mache die Schlafzimmertür wieder zu und kehre zu Frey zurück.
Frey und ich haben es uns in Davids Loft gemütlich gemacht. David ist ebenso sehr Fleischfresser wie Frey, also ist das schon mal kein Problem. Wir beschäftigen uns mit dem Buch und legen Pausen in der offenen Küche ein. Ich hatte ganz vergessen, wie köstlich brutzelnder Speck riecht, oder wie ein blutiges Steak saftet, wenn man es anschneidet. Genau das tut Frey gerade. Ich setze mich auf einen Barhocker am Frühstückstresen und schaue zu.
Frey sieht mir dabei zu, wie ich ihm zusehe. »Willst du mal probieren?«
Eine Erinnerung steht mir plötzlich klar vor Augen: wie ich nach einem Bissen Lasagne würgend über der Spüle hing. »Willst du mich mal in hohem Bogen erbrechen sehen?«
»Hübsches Bild.«
Ich stütze die Ellbogen auf die Theke und beuge mich vor. »Was meinst du, wie lange David noch schlafen wird?«
»Solange es eben dauert. Das können wir nicht abschätzen, weil wir nicht wissen, was sie ihm gegeben hat.« Frey wischt den Fleischsaft mit einem Stück Brot auf.
»Willst du als Nächstes den Teller ablecken?«
»Wie machst du denn sauber, wenn du gegessen hast?«
Da hat er recht. Vampire lecken die Bisswunden, um sie zu heilen. »Wir haben eine Menge gemeinsam.«
Doch als Frey fertig ist, leckt er den Teller nicht ab. Stattdessen bringt er ihn zur Spüle, lässt Wasser darüber laufen und stellt ihn dann in die Spülmaschine. Sehr zivilisiert. Zivilisierter als der durchschnittliche Vampir, obwohl die meisten Blutswirte vermutlich etwas dagegen hätten, in einen Geschirrspüler gestopft zu werden.
Er beugt sich vor, um durch die Glastür des EinbauWeinkühlschranks zu spähen. »Wie wäre es mit einem Glas Wein? David hat hier ein paar nette Flaschen Rotwein.« Ich nicke, und er wählt eine Flasche mit einer goldenen Krone auf dem schwarzen Etikett. Er entkorkt sie, schwenkt einen Schluck in einem großen Weinglas herum und reicht es mir.
»Nein. Probier du. Du hast einen viel kultivierteren Geschmack als ich. Ich kann gerade mal zwischen Null und AB positiv unterscheiden.« Er lacht, vollzieht das Ritual der Verkostung, erklärt den Wein für trinkbar und schenkt zwei Gläser ein.
Ein paar Minuten lang trinken wir schweigend. Ich spüre, dass Frey etwas auf dem Herzen liegt. Er sieht mich immer wieder an, aber wenn ich seinem Blick begegne, schaut er weg. Das erste Glas lang lasse ich ihn in Ruhe, aber als wir beim zweiten angelangt sind, bin ich mit meiner Geduld am Ende. »Nun spuck’s schon aus. Und ich meine nicht den Wein.«
»Haha. Sehr witzig.«
Ich lege eine Hand auf seine. »Komm schon. Du hast doch etwas auf dem Herzen. Ich benutze dich weiß Gott oft
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