Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
»Warum legst du dich nicht ein bisschen hin? Du hast seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen.«
»Ich glaube nicht, dass ich jetzt schlafen könnte.«
Er wischt ein letztes Mal mit dem Geschirrtuch über die Arbeitsplatte und kommt um den Tresen zu mir herüber. Er nimmt meine Hand und führt mich zum Sofa. »Versuch es.«
Ich lasse mich aufs Sofa sinken und erlaube ihm, meine Füße hochzulegen und mir die Schuhe auszuziehen. Dann setzt er sich neben mich auf die Sofakante. »Wann hast du zuletzt getrunken?«
Er erkundigt sich ganz nüchtern, als frage er nur, ob ich Sahne zum Kaffee nehme. Ich muss kurz überlegen, ehe mir alles wieder bewusst wird. Underwood. In Frankreich. Ich habe sein Blut immer noch in mir und hatte bisher keine Gelegenheit, meinen Körper durch frisches Blut davon zu säubern.
Frey soll die Erregung nicht sehen, die sich in meinem Körper ausbreitet bei dem Gedanken, dass er sich mir damit vielleicht anbieten will. Sein gutes, sauberes Blut. Ich kann ihn nicht darum bitten. Das werde ich nicht tun. Ich drehe den Kopf weg.
Er legt sich neben mich und streicht mir eine zerzauste Strähne aus dem Gesicht. »Ist schon gut. Nimm dir, was du brauchst.«
Er hat den Hemdkragen aufgeknöpft und schmiegt sich so an mich, dass sein Hals entblößt und ganz nah ist. So nah. Ich will das nicht tun, aber mein Körper reagiert, als hätte er mit meinem Kopf und meinem Herzen keinerlei Verbindung. Ich bebe vor Gier, brenne vor Hunger. Freys Blut wirkt wie ein Lockruf, und mein Körper antwortet darauf, weil er nicht anders kann.
Ich küsse seinen Hals und ziehe ihn an mich. Seufzend entspannt er sich. Er riecht nach Seife und Rasierschaum, sauber und gut. Dicht unter der Oberfläche schläft der Panther, wild, stark, aber zufrieden. Wir liegen eng aneinandergeschmiegt auf dem Sofa. Ich habe einen Arm um seine Taille geschlungen und ein Bein zwischen seine Beine geschoben. Er ist ganz still, nur sein Herz pocht, sein Blut rauscht.
Er hebt das Kinn, damit ich ihn noch leichter erreichen kann. Er will, dass ich es tue, und ich brauche es. Als ich die Haut durchbreche und der berauschende Blutschwall meinen Mund füllt, empfinde ich etwas, das ich schon sehr lange nicht mehr erlebt habe. Frieden. Wir bleiben liegen, als ich fertig bin. Frey ruht still neben mir. Ich streichle seinen Arm, sein Haar. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt ohne Sex genährt habe.
Ironischerweise kann ich mich auch nicht erinnern, mich je so ruhig und entspannt gefühlt zu haben wie gerade jetzt. Und das, obwohl mein Leben heute Nacht enden könnte, was mir sehr wohl bewusst ist. Fühlt Frey sich auch so wunderbar friedvoll? Es kommt mir egoistisch vor, nur zu nehmen und ihm nichts dafür zu geben. Ich streiche mit der Hand seinen Arm hinab und über seinen Bauch. »Möchtest du, dass ich... ?«
Er nimmt meine Hand und führt sie an seine Lippen. »Ja. Nein. Später vielleicht. Jetzt will ich nur, dass du schläfst.« Ich bin also nicht die Einzige, die unter einem Konflikt zwischen Kopf und Hormonen leidet. Aus irgendeinem Grund finde ich das tröstlich. Sex ist nicht unbedingt die beste Reaktion auf Verwirrung.
Frey dreht sich auf dem Sofa herum, so dass wir einander gegenüber liegen. Er hält mich fest. Seine Arme bergen meinen Kopf an seiner Brust. Ich schließe die Augen und treibe davon, beruhigt vom Rhythmus seines stark und gleichmäßig schlagenden Herzens.
Kapitel 44
Freys Körper neben mir zuckt, und ich bin sofort hellwach. David steht vor dem Sofa. »He. Es ist schon zehn Uhr. Wollt ihr euch nicht irgendwo ein Zimmer nehmen?« Frey zieht den Arm unter meinem Kopf hervor, und wir rappeln uns auf. David ist angezogen. Eine Jacke hängt über seinem Arm, und er hat seinen Schlüsselbund in der Hand.
»Was glaubst du, wo du hingehst?«, frage ich. »In deinem Zustand kannst du nicht Auto fahren.«
Er runzelt die Stirn. »Ich fühle mich prächtig. Ich gehe jetzt was trinken. Zu Fuß. Und hör auf, mich zu bemuttern.«
Ich wechsle einen Blick mit Frey. Wenn David mit Tracey oder Miranda spricht, fliegt unsere Geschichte auf. Nach dieser Nacht spielt das vielleicht keine Rolle mehr, aber ich kann nur eine Krise nach der anderen bewältigen. Frey mustert mich und liest den Ausdruck meiner Augen und meines Gesichts, wie er früher meine Gedanken gelesen hat. Er streicht sein Hemd glatt, fährt sich mit den Fingern durchs Haar und wendet sich David zu. »Hättest du etwas dagegen, wenn ich
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