Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
mitkomme?«
Ich habe damit gerechnet. Trotzdem flammt bei seinen Worten Panik in mir auf. Ich wollte Frey in meiner Nähe wissen, aber er ist keiner von uns. Die anderen Vampire würden ihn im besten Fall rauswerfen, im schlechtesten gewalttätig werden. Wieder einmal will Frey mir nur helfen. Er braucht David bloß ein paar Stunden zu beschäftigen. Danach kümmere ich mich um die Konsequenzen unserer Lügengeschichte. Sofern ich dann noch da bin.
David wirkt von dieser Idee nicht begeistert. »Ich brauche keinen Babysitter.« »Eigentlich wollte ich dich um etwas bitten. Ich würde gern mehr über die Nummer vier der Broncos hören und deinen letzten Superbowl.«
David zieht die Augenbrauen hoch. »Du warst ein Fan?«
»Hab kein einziges Spiel versäumt. Ich habe deine Karriere verfolgt, seit du für Notre Dame gespielt hast.« Frey ist wirklich einfallsreich. Er hätte David nicht besser anpacken können. Bei der Erwähnung seiner Alma Mater schmilzt Davids Widerstand dahin wie Butter in einer heißen Pfanne. »Es gibt eine nette kleine Sportbar gleich um die Ecke. Die haben sogar ein altes Trikot von mir an der Wand hängen. Der Besitzer hat zur gleichen Zeit wie ich für die Broncos gespielt. Ich rufe ihn an, vielleicht möchte er auch dazukommen.«
Er holt das Handy aus der Tasche und geht ein paar Schritte beiseite, um zu telefonieren. So hat Frey Gelegenheit, sich dicht an mich heranzubeugen und mir ins Ohr zu flüstern. »Du schaffst das schon. Denk nur immer daran, was wir besprochen haben. Du bist die Auserwählte. Du bist stark und schnell. Du hast einen klugen Kopf und ein gutes Herz. Ich warte im Strandhaus auf dich.«
Ich will nicht, dass er geht. Ich will, dass keiner von uns den Kokon dieser sicheren Wohnung verlässt. Ich will mich mit aller Kraft an Frey festklammern. Ich will mich in seine Arme kuscheln, bis Mitternacht vorbei ist. Ich will mehr Zeit, die Möglichkeiten auszuloten. Mein Blick verrät ihm wohl, wie verzweifelt ich mir all das wünsche. Er nimmt mich in die Arme und presst sich an mich. »Zeig denen, wer du bist. Wenn sie das erkennen, werden sie dir folgen. Dann haben wir alle Zeit der Welt.«
Davids Stimme bricht den Zauber. »Was meinst du eigentlich, was Lance sagen würde, wenn er jetzt hier reinkäme?«
Wir lassen einander los. Wenn Lance jetzt hier reinkäme, wäre er tot, ehe er irgendetwas sagen könnte. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
David klopft Frey auf die Schulter. »Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass sie jemand anderen hat. Dieses dürre Model konnte ich nie leiden.« Er wendet sich mir zu. »Können wir?«
»Geht ihr zwei ruhig. Ich bin jetzt seit drei Tagen hier. Ich würde gern mal wieder in meinem eigenen Bett schlafen.«
David blickt überrascht drein, aber nur einen Moment lang. Und schon geht er mit seinem neuen besten Freund zur Tür hinaus. Die beiden unterhalten sich, als würden sie sich schon ewig kennen. Immerhin bleibt er noch einmal kurz stehen und wirft ein »Schließ ab, wenn du gehst, ja?« über die Schulter zurück. Wenn ich meine Energie nicht für das aufsparen müsste, was mir bevorsteht, wäre ich jetzt vermutlich beleidigt.
Als ich diesmal bei Averys Haus ankomme, steht das Tor offen. Der Wachmann, der mich diesmal begrüßt, ist ein Vampir. Er erkundigt sich nicht nach meinem Namen, sondern neigt leicht den Kopf und sagt: »Miss Strong, man erwartet Sie in der Bibliothek.«
Wieder ist das Haus für eine Party ausstaffiert. Jedes Fenster ist hell erleuchtet. Noch mehr Limousinen als letztes Mal stehen am Rondell aufgereiht. Heute wartet neben jedem Wagen ein uniformierter Fahrer. Als sie den Jaguar sehen, nehmen sie Haltung an. Zweifellos haben sie den Ehrengast schon erwartet. Einer von ihnen löst sich aus dem Hintergrund, tritt an mein Auto, öffnet mir die Tür und streckt die Hand aus, um mir herauszuhelfen. Auch er ist ein Vampir.
Ich lasse ihn den Jaguar parken und gehe zum Haus. Ein weiterer Vampir öffnet die Tür, ehe ich klingeln oder klopfen kann. Wie der Blutswirt, der Frey und mich gestern Abend eingelassen hat, trägt er einen Smoking. Im Gegensatz zu dem anderen Burschen lächelt er und bittet mich geradezu unterwürfig mit einer kleinen Verbeugung herein.
Es kostet mich einige Anstrengung, die Angst aus meinen Gedanken herauszuhalten. Als ich meinen Geist öffne, höre ich ein Dutzend Stimmen wispern wie Blätter im Sturm. Manche sprechen Englisch, andere Sprachen, die ich nicht kenne. Aber ich
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