Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
während er diese harmlose Tagesordnung vorträgt, sträuben sich mir die Härchen im Nacken. »Nachdem ich die Entscheidung getroffen habe, richtig?«
»Du hast in Palm Springs ja doch zugehört.« Ich presse mir die Fingerspitzen auf die geschlossenen Lider. »Und mit der Entscheidung, die ich treffe, muss die Vampirgemeinschaft dann für die nächsten zweihundert Jahre leben.«
»Nicht nur die Vampirgemeinschaft«, korrigiert Frey. »Die Sterblichen sind zu einem so hohen Rang in der Gesamtgesellschaft aufgestiegen, weil dein Vorgänger den Vampiren eine untergeordnete Position vorgeschrieben hat. Wenn du das änderst, kehrt sich dieses Verhältnis um.« Er macht eine kurze Pause. »Dann werden die Vampire eines Tages die Welt beherrschen.«
Ein Moment verstreicht, während wir uns die Auswirkungen vorstellen. Der Gedanke verstört mich nicht so sehr, wie er eigentlich sollte, weil ich weiß, dass ich niemals, unter gar keinen Umständen, eine solche Entscheidung treffen würde. Frey weiß das. Aber wir wissen auch, dass es einen Herausforderer geben könnte, und dann liegt die Entscheidung möglicherweise nicht mehr bei mir. Nach ein paar Minuten Schweigen steht Frey auf, streckt sich und greift nach einem kleinen Lederkoffer, den er neben dem Sofa abgestellt hat. »Ich gehe jetzt duschen. Danach solltest du vielleicht nach Hause fahren und dich umziehen. Ich bleibe hier bei David.«
Was zieht man denn zur eigenen Krönung an? Vor allem, wenn zu den Feierlichkeiten ein Kampf auf Leben und Tod gehört? Ich schaue Frey nach, der zum Bad geht, und frage mich wieder, was passiert wäre, wenn ich ihm vor ein paar Minuten erlaubt hätte, mich zu küssen. Denn er hätte mich geküsst. Da bin ich sicher, Layla hin oder her. Ich habe noch nie auf die Stimme der Vernunft gehört. Warum also habe ich es diesmal getan?
Wasser beginnt in der Dusche zu rauschen. Ich stelle mir Frey da drin vor, nackt und nass. Ich könnte meine Theorie ja überprüfen. Mich jetzt gleich zu ihm unter die Dusche stellen. Was hält mich davon ab? Sex ist Sex. Wir haben schon mal miteinander geschlafen. Ich habe es schon so oft getan, dass ich niemals nachzählen könnte. Warum sollte das hier anders sein? Es ist nur ein körperliches Bedürfnis, ein biologischer Drang. Es hat nichts zu bedeuten. Das hat Lance bewiesen.
Trotzdem kann ich mich nicht dazu bringen, vom Sofa aufzustehen und diesen ersten Schritt zu tun. Ich brauche Frey in meinem Leben. Ich will ihm keinen Anlass geben, sich schuldig zu fühlen, wenn er in sein normales Leben zurückkehrt. Denn er wird ein richtiges Leben haben, das er wieder aufnehmen kann, auch wenn ich dann vielleicht nicht mehr da bin. Und Layla gehört zu diesem Leben.
Meine Gedanken sind bemerkenswert reif und erwachsen. Lasse ich mich tatsächlich von meinem Kopf und nicht von meinen Hormonen leiten? Gruselig. Ich starre auf die Tür, durch die Frey eben verschwunden ist und bin so in Gedanken versunken, dass ich David gar nicht hereinkommen höre, bis er den Mund aufmacht.
»Was machst du denn hier?«, fragt er. »Und wer ist da in meinem Bad?«
Kapitel 43
Davids Brust ist nackt, aber er hat immerhin eine Jogginghose an und Flipflops an den Füßen. Sein Blick ist klar, sein Gesichtsausdruck ein wenig verwundert, aber nicht bekifft. »Was ist hier los?«, wiederholt er.
»Wie fühlst du dich?«
Er reibt sich mit den Fingerspitzen die Stirn und tritt von einem Bein aufs andere. »Ich bin wund und habe Schmerzen. An merkwürdigen Stellen. Hatte ich einen Unfall?«
»Woran kannst du dich denn erinnern?«
Er sieht mich mit schmalen Augen und gereizter Miene an. »Wirst du jede Frage mit einer Gegenfrage beantworten?«
»Und du?« Er kehrt mir mit einem Brummen den Rücken zu und geht zur Küche. Ich springe von der Couch auf und folge ihm.
Sein Kopf steckt im Kühlschrank. »Ich sterbe vor Hunger. Wo sind die Steaks hin, die ich hier drin hatte?« Er holt eine Flasche Wasser heraus und dreht sich um. Da fällt ihm die leere Weinflasche auf der Küchentheke ins Auge. »He. Das ist ein Cavallina.« Er beäugt mich. »Anna, haben wir... ?«
In diesem Moment kommt Frey barfuß herein. Er hat sich ein Handtuch um die Hüfte gewickelt und frottiert sich mit einem zweiten die Haare. Er bleibt stehen, als er David und mich bemerkt. David starrt ihn an. »Kenne ich Sie?«
Frey wendet sich an mich. »Ich wollte dir gerade sagen, dass du jetzt fahren kannst. Aber es sieht so aus, als würde eher ich nach
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