Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
auf sich hat.“
„Der ist auch hochzufrieden und stolz, endlich einen Körper zu haben“, lächelte Ian beseelt, kitzelte den Gögling am Rücken und schielte auf ihn neugierig aus dem Augenwinkel.
„Zufrieden?“
„Mit dem Ergebnis meiner magischen Künste“, erklärte er und streichelte das Wesen über den ledrigen glatten Kopf.
Daraufhin rollte der Gögling seine Ohren aus, schob die schmale Hühnerbrust nach vorne und verbeugte sich einmal vor Anna und zu der anderen Seite, als ob dort ein begeistertes Publikum tobte und ihm überschwänglich applaudierte. Es war eine routinierte Bewegung eines Conferenciers, dem die Bewunderung der Zuschauer bewusst und zugleich sehr willkommen war.
„Mal gut, dass er keine Stimme hat“, murmelte Anna. „Bei der Schönheit hätten meine Ohren solches Vergnügen nicht ausgehalten.“
Der Gögling guckte sie aufmerksam an, dann streckte seine Zunge heraus, die sich als lang, rot und recht beweglich erwies, und ließ sie so schnell vibrieren, dass eine Fontäne aus dem gelblichen Speichel sich in alle Richtungen weiträumig verteilte.
„Ach du …!” Die junge Frau funkelte ihn verärgert an, wischte ihr Gesicht und die Hände schnell mit einer Serviette vom Tisch ab und richtete ihre rechte Hand auf ihn.
Angesichts der Gefahr rollte der Gögling die Ohren um seinen schmächtigen Hühnerleib rasch zu einem Kokon zusammen und erstarrte.
„Ist ja gut!“ Ian streichelte ihn beruhigend über die dünne Haut auf dem Rücken. „Sie wollte dir nichts Böses.“
„Gut, dass du es so genau weißt“, brummte die Jungmagierin und machte sich daran, die letzten klebrigen Tropfen von ihrem Kleid zu entfernen.
„Der ist doch noch so neu auf dieser Welt. Er lernt es mit der Zeit, sich zu benehmen“, beschwichtigte er sie. Sein verschmitztes Lächeln erhellte sein zufriedenes Gesicht.
„Das möchte ich schwer für ihn hoffen“, gab sie verärgert zurück. „Sonst gibt es Mittel und Wege für eine solche Perle der magischen Kunst, andere Verwendungsmöglichkeiten zu finden.“
„Ist ja gut. Ich bringe ihm die guten Manieren mit der Zeit bei. Er braucht nur etwas Zeit.“
Der Gögling steckte seinen Kopf kurz heraus, sah, dass die Gefahr vorbei war, lehnte sich mit dem Rücken an Ians linkes Ohr und schnarchte nach zwei Sekunden in einer Lautstärke, dass es Anna vorkam, sie stünde vor einer riesigen Kreissäge.
„Schaff ihn bloß hier weg!“, schrie sie. „So kann ich nicht arbeiten! Und es gibt noch jede Menge zu tun!“
Ian nahm ihn von seiner Schulter.
Dieser ließ sich nicht stören und sägte weiter.
„Er ist ja müde. Nicht jeden Tag bekommt man einen neuen Körper“, redete er auf die junge Frau ein. „Wo soll ich denn mit ihm hin?“
„Leg ihn nach oben in mein Zimmer. Von dort höre ich ihn nicht. Hoffe ich doch. Und komm schnell zurück. Du solltest noch etwas lernen. Ohne dies wird es schwierig für dich, hier zu überleben, geschweige denn weiter zu machen.“
Als Ian zurückkam, stand sie am Fenster und sah traurig ins gleichmäßige Grau hinter den Fensterscheiben. Sie drehte sich zu ihm um, sobald sie seine Schritte hörte.
„Er schläft“, lächelte er. „Ich habe ihn ins Bett gelegt.“
„Diese Kreatur ist auch noch in meinem Bett!“ Ihre Augen blitzten zornig auf, die Wangen wurden von roten Flecken bedeckt. „Unglaublich! So weit musste es noch kommen.“
„Bevor er einschlief, hat er zu mir noch etwas gesagt, was ich nicht verstehe.“ Ian blickte sie fragend an. „Also warum er es gesagt hat.“
„Und ich glaube nicht, dass ich seinen Unsinn dir erklären kann“, erwiderte Anna und wandte sich von ihm weg.
„Er hat nur ein Wort gesagt, aber immer wieder. Was meinte er bloß damit?“
Sie zuckte mit der rechten Schulter. „Was weiß ich, was in seinem Hirn abläuft, sofern er welchen hat.“
„Er hat immer wieder nur das eine Wort gesagt: ‚Zuhören‘. Verstehst du das?“ Ian ging auf die junge Frau zu, nahm sie bei den Schultern, drehte sie sanft zu sich um und sah ihr tief in die Augen. „Kannst du mir das erklären?“
„Zuhören? Und das war es?“, fragte sie, ein Fünkchen Neugier blitzte in ihrer Stimme. Sie wand sich aus seinen Händen.
„Ja“, nickte er. „Nur dieses eine Wort. Ich höre es jetzt immer noch in meinem Kopf. Es ist wie eine Endlosschleife: zuhören, zuhören, zuhören.“
„Nun“, sagte Anna. „Das kann schon etwas …“ Sie ließ nachdenklich den Blick über das Zimmer
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