Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
zusammen.“
„Was die heutige Jugend so alles für richtig und falsch hält …“ Die Alte schob den Topf wieder auf die Platte und fing an, darüber gebeugt, dort emsig zu rühren, die qualmende Zigarette zwischen den Fingern der freien Hand.
„Aber es war nicht unsere alte Bekannte.“ Es hörte sich eher wie eine Frage als eine Feststellung an.
„Nein“, schüttelte sie energisch den Kopf. „Da hätte ich schon was gemacht. Aber sie scheint seine Spur verloren zu haben. Seit Jahren hat sie sich hier nicht mehr blicken lassen.“ Ein Hauch von Stolz schwang in ihrer Stimme.
„Nun, wenn es so ist, dann sieht es aus, dass dein Auftrag zu Ende ist“, sagte Ernst und schickte sich an zu gehen.
„Warte!“ Die Alte presste ihre Hand an die Stirn. „Jetzt weiß ich es wieder. Das Mädchen hatte sehr wohl etwas Besonderes an sich.“
Er drehte sich um. „Ja?“ Er machte sich nicht die Mühe, seine Überraschung zu verbergen.
„Sie hatte verschiedene Augen. Das eine grün, das andere braun.“
„Gut“, nickte Ernst. „Ich weiß Bescheid.“ Er stieß die Tür auf. „Mach‘s gut“, warf er über die Schulter und verschwand im grellen Sonnenlicht.
Kapitel 23. Die neuen Regeln.
Anna lehnte sich an die Wand zwischen den Fenstern und blickte ernst. „Was jetzt kommt, ist eine wichtige Angelegenheit. “
Ian saß auf dem Stuhl am Tisch. „Ich bin ganz Ohr“, grinste er und beugte sich zu ihr vor.
„Es geht um etwas Wichtiges, um deine Gedanken.“
„Ach, manchmal denke ich so einen Schrott.“
„Das weiß ich, aber es muss sonst keiner wissen, vor allem nicht die bestimmte Person, die dir hinterher ist.“
„Hast du schon mal meine Gedanken gelesen?“ Sein Blick bohrte sich in ihre Augen.
„Wenn es sein musste“, lächelte sie verlegen. „Was ich in deinen Kopf aber rein bekommen haben will, ist es, dass du weißt, wie man die Gedanken schließt und wie man sie liest.“
„Oje. Das klingt ja höchst spannend“, seufzte er und sah in das gleichmäßige Grau hinter den Fensterscheiben.
„Das ist es in der Tat“, sagte die Jungmagierin mit Nachdruck. „Denn wenn du sie nicht schließt, ist es ähnlich, als wenn du alle einlädst, an deinem Gedankengut teilzuhaben. Wenn du es aber tust, ist es klar, dass du sie nicht teilen willst. Dann bleiben sie für dich.“
„Dass es so einfach sein soll, die Gedanken anderer zu lesen …“, murmelte er stirnrunzelnd, „das ist schon merkwürdig.“
„Es ist auch nicht schwer“, bekräftigte sie. „Gewusst, wie. Lass es uns ausprobieren. Dann verstehst du das mit dem Gedankenschließen auch besser.“
Der junge Mann blickte sie ergeben an.
„Konzentriere dich“, verlange Anna. „Dein Kopf ist leer. So gehst du in meine Gedanken und hörst mir einfach zu.“
„Leichter gesagt als getan“, nörgelte er. „Ich kann so etwas überhaupt nicht.“
„Streng dich an. Vom Nichtkönnen zum Können ist oft nur ein kleiner Sprung. Schließe die Augen. Das hilft dir in der ersten Zeit. Mache deinen Kopf frei. Denke einfach an nichts. Dann richte all deine Aufmerksamkeit auf meine Gedanken. Die sind offen. Höre, sehe, nehme einfach wahr, was ich denke.“
Ian tat wie geheißen. Sein Gesichtsausdruck ernst, die Brauen zusammengezogen, die Augen zu, verharrte er eine Zeit lang in dieser Haltung. Dann sah er sie verzweifelt an. „Es ist nicht leicht, an nichts zu denken.“
„Zu Anfang ja, aber es ist nicht unmöglich. Es geht, wenn du es ernsthaft versuchst. Also noch einmal“, verlangte sie.
Er seufze und schloss wieder die Augen. Volle Konzentration. Nach einer Pause murmelte er: „Alles, was ich höre, ist: ‚Ian ist ein Dummkopf‘.
„Richtig! Geht doch!“, rief Anna und klatschte begeistert in die Hände.
„Was denn?“ Er blickte verdutzt.
„Es stimmt! Wunderbar!“
„Sehr witzig“, brummte er. „Kannst du nicht mal was Vernünftiges denken?“
„Ja, aber du hast es geschafft! Du hast meinen Gedanken gelesen! Das ist doch super! Und in so einer kurzen Zeit! Phänomenal!“
„Noch einmal“, verlangte er. „Das glaube ich jetzt selbst nicht.“
Die Jungmagierin lächelte breit und nickte: „Gut, noch einmal. Konzentriere dich. Los geht’s.“
Ian zog eine ernste Miene, schloss die Augen, schwieg eine Weile, dann kräuselte er die Nase, schob seine wilden Locken mit beiden Händen zurück und verkündete teils fragend, teils behauptend: „Du hast an Alphira gedacht. Du willst sie besuchen. Und zu Scharta
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