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Annabel (Amor-Trilogie) (German Edition)

Annabel (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Annabel (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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wollte nicht zwischen die Fronten geraten. Ich drehte mich genau in dem Augenblick um, als ein Räuber mit gezücktem Messer auf den Vorsprung kletterte.
    Sein Gesicht war wutverzerrt. Sein Blick war auf den Rücken des Ziegenhirten gerichtet. »Ruanisches Dreckspack !«
    Ohne nachzudenken, warf ich mich ihm entgegen, meine Axt hielt ich wie einen Schild vor mich. Das lange Messer des Räubers stieß gegen eine der eisernen Schaftfedern und rutschte mit einem Klirren ab. Das grelle Sonnenlicht auf der Messerklinge blendete mich. Ein brennender Schmerz durchzuckte meinen Hand-
rücken.
    Als er nachließ, tanzten schwarze Punkte vor meinen Augen. Ich starrte auf die roten Tropfen, die aus meiner Haut quollen.
    Der Mann stürzte sich auf mich, sein Messer sauste in einem heimtückischen Bogen nach unten.
    Ein Holzstab mit Silberkappe hieb dem Räuber das Messer aus der Hand, wirbelte durch die Luft und schlug dann die Beine unter ihm weg. Der Mann stürzte mit einem heiseren Schrei über den Vorsprung und verschwand den Abhang hinunter.
    »Trampel«, sagte der Ziegenhirte barsch. »Du hast zugelassen, dass er dich erwischt.«
    Er streckte den Arm aus, als wolle er meine Hände berühren, die noch immer angestrengt den Schaft der Axt umklammerten.
    »Nein.« Ich würgte das Wort heraus und taumelte rückwärts. Ich ließ die Axt fallen, den Blick weiter auf das Blut gerichtet. Der Schweiß auf meiner Stirn verwandelte sich in Eis. Als ich ausatmete, bildete sich eine Wolke in der Luft. »Nicht.«
    »Zeig her«, fuhr er mich an.
    »Geh weg!« Die Worte verzerrten und verformten sich in meinem Mund und kamen als Knurren heraus. »Lauf!«
    Das Gebüsch über uns raschelte und ein zweiter Mann, größer als der erste, sprang mit einem Breitschwert in der Hand leichtfüßig auf den Vorsprung. Er trug eine glänzend polierte Plattenrüstung und einen Helm, der den größten Teil seines Gesichts verdeckte. Ein Paar dunkle, funkelnde Augen musterten kurz mein Gesicht, dann schob er schnell das Schwert in die Scheide.
    »Was ist denn? Hast du nicht gesagt, sie sei unverletzt?«
    In mir – an jenem kalten Ort – gellte ein durchdringender, einsamer Schrei. Er dröhnte in meinen Ohren. Die Lippen der Männer bewegten sich noch immer, doch ich hörte keinen von beiden mehr.
    Alles, was ich hören konnte, war der Wolf.
    Langsam verblassten die Farben um mich herum. Ich blinzelte und die Welt war blau und grau und silbrig. Das einzig verbliebene Rot war die helle Flüssigkeit, die aus meiner Hand tropfte. Der zweite Mann kam langsam auf mich zu, er hielt beschwichtigend die Hände hoch. Ich versuchte wieder zurückzuweichen – aber da war kein Raum.
    Nein, flehte ich lautlos. Nicht jetzt. Ich bin so kurz vor dem Ziel.
Bitte …
    Die Verbindung zwischen meinem Körper und mir zerriss.
    Geräusche kehrten zurück. Die Sicht wurde schärfer. Muskeln spannten sich an.
    Der Wolf fletschte die Zähne, als er das Blut roch.

Zwei
    Ich wagte nicht, die Augen zu öffnen.
    Mein Schädel pochte im Takt meines Herzschlags. Ich war steif und jeder Knochen tat mir weh. Die Wunde auf meiner rechten Hand juckte schrecklich. Doch das Schlimmste war die Scham. Tränen quollen unter meinen Augenlidern hervor und rannen mir übers Gesicht.
    Oh, Vater. Es ist wieder passiert.
    Ein leises Knarzen war zu hören, es klang nach Leder. Ich riss die Augen auf. Die Tränen verschleierten meinen Blick. Neben mir saß ein Mann auf einem niedrigen Schemel.
    Der Ziegenhirte.
    Statt des schäbigen weiten Gewands trug er ein feines Leinenhemd, das am Hals offen stand, Kniehosen aus weichem Leder und blank polierte Stiefel. Und um seine Taille hing ein Schwert. Unter meinem Blick schlossen sich seine Finger fester um die Waffe.
    Ich sah in sein Gesicht und erstarrte wie ein Kaninchen beim Anblick eines Leoparden. Diese grünen Augen waren ausdruckslos und kalt und furchteinflößender als eine laut ausgesprochene Todesdrohung. Als er den Blick abwendete, seufzte ich erleichtert auf – bis ich die vier tiefen Klauenspuren auf seinem Kiefer entdeckte.
    »Sie ist wach«, rief er und stand auf.
    Ich versuchte trotz des dämmrigen Lichts so viel wie möglich von meiner Umgebung auszumachen. Die Wände bestanden aus gehobelten Holzplanken, die Decke war niedrig und unverputzt. Es war ein kleiner Raum ohne Fenster. Nur durch einen schmalen Schlitz oben in der grob gearbeiteten Tür mit dem Eisenriegel fiel etwas Licht. Der Raum roch nach Stroh und Vieh. Wie eine

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