Annabel (Amor-Trilogie) (German Edition)
hinter dem Baum hervor.
Vater, schütze sie.
Sorge dafür, dass mein Blut nicht fließt.
Ein angsterfüllter, trotziger Schrei entrang sich meiner Kehle. Ich stürzte aus dem Gebüsch, rannte den Abhang hinunter und landete mit einem dumpfen Aufschlag, der mir durch Mark und Bein ging, auf dem Pfad. Der Räuber taumelte erschrocken zurück. Ich schwang die Axt meines Vaters. Sie traf mit einem ohrenbetäubenden Klong auf das Schwert des Räubers und schlug es ihm aus der Hand. Während er seine leeren Finger anstarrte, trat ich mit aller Kraft zu. Mein Stiefel traf die empfindliche Stelle zwischen seinen Beinen.
Der Räuber krümmte sich und würgte. Ich schlug ihm die eiserne Schaftfeder der Axt auf den Hinterkopf, das dumpfe, fleischige Geräusch ließ mich zusammenzucken. Er brach auf dem Pfad zusammen.
Für den Bruchteil einer Sekunde stand ich keuchend da, benommen von dem, was ich getan hatte. Dann drehte ich mich um und packte den Ziegenhirten am Arm. »Lauf!«
Ich versuchte ihn wegzuzerren, doch es war, als zöge man an einem Ast. Er war nicht größer als ich, aber kräftiger. Ich bekam ihn nicht vom Fleck und er gaffte mich nur mit offenem Mund an.
»Was glotzt du so blöde?«, schrie ich. »Lauf!«
Ich zog mit aller Kraft an seinem Arm – und spürte, wie der Pfad erneut unter meinem Absatz wegbrach. Ich taumelte rückwärts und ließ den Ziegenhirten los, als ich verzweifelt mit den Armen ruderte, um mein Gleichgewicht wiederzufinden. Der Ziegenhirte, nun endlich zu einer Bewegung veranlasst, packte mein Handgelenk, als wolle er mich zurückziehen.
Stattdessen riss ich ihn, als der Boden unter mir wegsackte, mit in die Tiefe. Wir stürzten den Abhang hinunter, er ließ mich los und ich überschlug mich. Gestrüpp und Ranken zerkratzten meine nackte Haut und rings um mich wirbelten Staubwolken auf. Obwohl die Klingen meinem Gesicht gefährlich nahe kamen, hielt ich Dads Axt verzweifelt umklammert.
Dann blieb die Schneide der Axt in einer dicken bleichen Wurzel hängen, was meinen Sturz mit solcher Wucht bremste, dass es mir fast den Arm auskugelte. Als ich nach unten blickte, sah ich meine Füße in der Luft baumeln. Unter mir glitzerte der Fluss.
Nachdem ich etwas Erde ausgespuckt hatte, bewegte ich meinen anderen Arm langsam nach oben, packte die Wurzel und hievte mich, vor Anstrengung keuchend, wieder auf die Füße. Ich zog die Axt heraus, ohne die Wurzel loszulassen. Dann hielt ich nach dem Ziegenhirten Ausschau.
Er hockte knapp über mir auf einem kleinen Vorsprung und richtete sich gerade auf. Er war voller Schrammen und Erde und er hatte seine rote Kappe verloren, doch in der rechten Hand hielt er noch immer den Stab. Er starrte zu mir herunter und mir fiel auf, dass seine Augen eine blassgrüne Farbe hatten, die seltsam zu seiner dunklen Haut aussah.
»Kletter hier hoch.« Seine Stimme war leise und rau.
Die Hand, die er mir entgegenstreckte, zitterte. Wut oder Angst? Ich zögerte einen Augenblick und sah in diese merkwürdigen kalten Augen. Doch seine Hand machte den Eindruck, als sei sie kräftig genug, und er hatte keinen Grund, mir etwas zu Leide zu tun. Ich streckte ihm die Hand entgegen und er zog mich über den Rand des Vorsprungs. Sobald ich oben war, ließ er meine Finger
los.
»Arian!«, schrie jemand. Es war eine Männerstimme: tief und gebieterisch. Man hörte kleine Steine herunterprasseln und eine Bewegung im Gebüsch, jemand schien herunterzuklettern. »Hallo! Bist du verletzt? Was ist da unten los?«
»Mir ist nichts passiert«, rief der Ziegenhirte zurück. »Hast du den anderen gekriegt?«
»Nein, der ist davongerannt, als du den Abhang hinuntergestürzt bist. Hat sie sich verletzt?«
»Wen interessiert das? Dank dieser … dieser Idiotin war alles umsonst.«
Mir klappte die Kinnlade herunter. »Ich habe dir gerade das Leben gerettet.«
»Du? Du könntest doch noch nicht mal deinen eigenen Hintern retten.« Er warf mir einen kalten, zornigen Blick zu. Ich zuckte zusammen und umklammerte den Schaft meiner Axt.
Er beachtete mich nicht weiter und reckte den Hals, scheinbar hielt er nach dem Mann Ausschau, der ihm zugerufen hatte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wo kam dieser andere plötzlich her? Auf dem Pfad war niemand gewesen, nur der Ziegenhirte, die Räuber und ich. War das eine Art Falle? Und wenn ja, für wen?
Ich begann mich seitlich wegzuducken und suchte den Abhang nach etwas ab, woran ich mich hochziehen könnte. Was immer hier vor sich ging, ich
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