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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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der Rentner, Studenten und Türken. Hier gab es noch die alten Mietskasernen und Hinterhöfe. Dalla parkte direkt unter dem Firmenschild auf dem Bürgersteig. Die drei Polizisten betraten den Beratungs- und Verkaufsraum und fragten nach dem Chef.
    Ralf Kaminski sah seinem Bruder sehr ähnlich. Die gleiche Stirnglatze, der gleiche gebeugte Gang, nur der Bauch des Teppichbodenhändlers war wesentlich umfangreicher.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er, als habe er normale Kundschaft vor sich.
    »Während sich meine Kollegen bei Ihnen ein wenig umsehen, möchte ich Ihnen einige Fragen stellen. Ihr Lager ist im Hinterhaus, wie ich gesehen habe. Haben Sie noch weitere Geschäftsräume?«
    »Nein, aber was wollen Sie?«
    Schneider und Dalla verließen den Raum.
    »Es geht um den Mord auf der Deponie. Wo waren Sie gestern Nacht zwischen zwölf und vier?«
    »Zu Hause.«
    Fabelhaftes Bruderpaar. Thann wurde ungeduldig. »Ende der Märchenstunde! Wo waren Sie?«
    »Ich habe geschlafen wie jeder anständige Mensch. Sie können meine Frau fragen.«
    Blitzschnell holte Thann aus und gab Kaminski eine schallende Ohrfeige. »Dreckiger Lügner!«
    Ralf Kaminski hielt sich die Backe und sagte nichts. Wenigstens flennt er nicht, dachte Thann.
    »Wie lange geht das schon mit Ihnen und Ihrem Bruder? Die billigste Müllabfuhr der Stadt, nicht wahr? Und gestern auch noch der billigste Friedhof!«
    Keine Antwort. Thann schlug ihm auf die andere Seite. Kaminski fasste sich auch dorthin und schwieg noch immer. Thann hielt ihm die Zeichnung des Opfers vors Gesicht.
    »Wer ist das?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Warum haben Sie diesen Mann umgebracht?«
    »Umgebracht? Ich weiß gar nicht, wer das ist! Ich war's nicht, und wenn Sie mich zehnmal schlagen!«
    »Was haben Sie gestern Nacht auf der Deponie abgeladen?«
    »Nur Teppichbodenreste. Alte Böden und Verschnitt von neuem. Das ist so umweltfreundlich, das können Sie sich sogar in die Wohnung legen. Ich habe nie jemandem etwas zuleide getan.« Teppich-Kaminskis Gesicht glühte tiefrot.
    »Wie sieht das aus, wenn Sie Ihren Müll schwarz auf die Deponie fahren?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Fährt Ihr Bruder das Zeug weg, und Sie bleiben am Eingang?«
    »Nein, ich fahre es allein weg. Ich kenne mich aus auf der Deponie. Herbert bleibt am Eingang. Er geht dort nie weg. Er nimmt seine Arbeit sehr genau.«
    »Mit kleinen Ausnahmen, wie man sieht. War außer Ihnen beiden noch jemand auf dem Gelände?«
    »Ich habe niemanden sonst gesehen.«
    »Hat Ihr Bruder irgendetwas bemerkt oder hat er sich anders als sonst verhalten?«
    »Nein, alles war wie immer.«
    Thann sah keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Schneider und Dalla kamen zurück, ohne etwas gefunden zu haben. Damit hatte Thann gerechnet. Dalla starrte auf Kaminskis Gesicht, als wollte er die Finger zählen, die sich auf dessen Wangen abzeichneten.
    »Gönnen Sie sich heute Nacht einmal etwas Schlaf!«, riet Thann dem noch immer verschreckten Teppichhändler. »Es ist ungesund, jede Nacht unterwegs zu sein. Erledigen Sie Ihre Geschäfte ab jetzt tagsüber, auch Ihre Abfälle.«
    Er bohrte seinen Zeigefinger in Kaminskis Brust, wie es Bollmann bei ihm gemacht hatte. »Es ist, wie Sie sagten: Anständige Menschen schlafen nachts. Auf Wiedersehen.«
     
    Thann ließ sich vor dem Hochhaus absetzen, in dem die Verwaltung des A & F Entsorgungsdienstes lag. Zu diesem Termin ging er allein. Vor dem Eingang sah er sich um. Friedrichstraße 17 hieß die Adresse. Das dreißigstöckige Bürogebäude musste jetzt etwa 23 Jahre alt sein. Bei seiner Einweihung war es das höchste der Stadt gewesen. Inzwischen war das gesamte Stadtzentrum voll von solchen Türmen. Früher hatten hier stattliche Altbauten gestanden, Stadthäuser reicher Bürger, gebaut noch vor der Jahrhundertwende. Kaum einer erinnerte sich heute noch an die Auseinandersetzungen, die sich hier abgespielt hatten, im alten Haus Nummer 17, bevor es abgerissen wurde und zusammen mit anderen dem Hochhaus wich. Hausbesetzer, Kommunarden und Demonstranten hatten die Stadt damals in Atem gehalten, mehr als ein Jahr lang.
    Irgendwann vor dem Abriss war er geschehen – der Friedrichstraßenmord. Und Bollmanns erstes Glanzstück, die Aufklärung in nur drei Tagen. Diese Art von Wunden habe ich schon einmal gesehen. Lange her.
    Im Foyer hing ein großes Kunstwerk, sehr bunt, genauso wie das überdimensionale Pult, hinter dem die Empfangsdame saß. Ihr Job schien darin zu bestehen, fremde Besucher

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