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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Schöne Leiche, klarer Fall.
    Der Mörder von damals, nun selbst ermordet. In Thanns Hirn spielten die Gedanken Karussell. Beide Opfer trugen die gleichen Verletzungen. Eich konnte sie sich wohl kaum selbst beigebracht haben. Vielleicht war er es auch damals nicht gewesen. Thann sah sich bereits als gefeierter Held. Als Aufklärer zweier Fälle, des Leichenfundes auf der Deponie und des neu aufgerollten Mordfalls von 1968. Bollmann würde sich wundern. Nicht nur er – das ganze Präsidium.
    Der Typ im selbst gestrickten Pullover sah Thann an, als warte er auf eine Antwort.
    »Äh – wie bitte?«
    »Ich fragte, ob Sie einen Kaffee wollen.«
    »Ja, gerne. Danke.«
    Der Bewährungshelfer schenkte ein. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Ich habe zu viele Menschen zu betreuen. Das alte Lied. Es gibt zu wenig Sozialarbeiter. Der Staat gibt zu wenig Geld für Soziales aus, Haftentlassene haben eben keine mächtige Lobby.«
    Gleich macht er den Bundeskanzler für den Mord verantwortlich, dachte Thann. Das Telefon klingelte. Der Alt-68er nahm den Hörer ab und meldete sich.
    »Ja, der ist hier.« Er reichte den Hörer weiter.
    »Thann.«
    »Miller. Gut, dass ich dich erreiche. Zwei weitere Anrufer haben die Identität des Toten bestätigt.«
    Telefonnummern und Anschriften: Eine Anwaltskanzlei und dieser Beckmann, den der Bewährungshelfer erwähnt hatte. Miller klang ganz aufgedreht. Thann legte auf. Der Idealismus des Kollegen rührte ihn für einen Moment, dann konzentrierte er sich auf sein Gegenüber.
    Der Bewährungshelfer war noch nicht zum Ende gekommen. »Und zugleich sitzen jede Menge ausgebildete Sozialpädagogen auf der Straße. Wenn man es genau überlegt, ist es ein Skandal.«
    Das alte Lied, das Thann nicht interessierte.
    Weiter.
     
    Professor Beckmann führte Thann in ein kleines, überheiztes Büro. Es war mit Möbeln eingerichtet, die mindestens schon zwanzig Jahre alt waren, abgeschabt, altmodisch und ohne Geschmack zusammengewürfelt. Wie im Präsidium, dachte Thann. Die Univerwaltung hatte anscheinend auch kein Geld.
    »Das hier hätte sein Büro werden sollen. Günther hatte sich so auf den Job gefreut. Dabei ist es nur eine halbe Stelle, befristet auf ein Jahr.«
    »Wie kann jemand nach einem Vierteljahrhundert Knast politische Wissenschaft betreiben?«
    »Günther hatte immerhin promoviert. Und in all den Jahren hielt er sich auf dem Laufenden. Mehr noch, er nahm teil an der wissenschaftlichen Diskussion. Er veröffentlichte in Fachzeitschriften und erwarb sich einen gewissen Ruf auf seinem Gebiet. Sonst hätte ich ihm nicht diese Assistenzstelle verschaffen können. Sie wissen gar nicht, wie groß der Andrang auf jede noch so schlecht bezahlte Stelle an der Universität ist.«
    Und du weißt nicht, wie schlecht Polizisten bezahlt werden, dachte Thann. Beckmann trug ein Designersakko über einem Seidenhemd. Klamotten, wie sie im Präsidium höchstens Bollmann oder der Polizeipräsident trugen.
    »Ich nehme an, Sie kannten Günther Eich am besten.«
    »Ich glaube, ja. Ich bin der Einzige aus dem alten Freundeskreis, der den Kontakt mit ihm nicht abgebrochen hatte. Ich besuchte ihn regelmäßig. Und als er draußen war, sahen wir uns fast jeden Tag. Eigentlich wollte er heute Morgen ins Institut kommen, ich wollte ihn seinen künftigen Kollegen vorstellen. Als er nicht kam, versuchte ich ihn anzurufen. Dann sah ich seine Zeichnung in der Zeitung.«
    »Hatte er Feinde?«
    »Das habe ich mich auch gefragt. Nein. Nicht dass ich wüsste.«
    »Ist Ihnen an seinem Verhalten etwas aufgefallen?«
    »Jede Menge sogar. Er hatte sich im Lauf der Zeit sehr verändert. Er ist ein wenig eigenartig geworden. Verschlossen, misstrauisch. Früher war er der Sonnyboy. So ein Typ, der unbeschwert durchs Leben ging, der bei Frauen sehr beliebt war und auch sonst. Es ist eine Schande, was das Gefängnis aus einem Menschen macht. Und es ist ein Skandal, dass man ihn nicht viel früher entlassen hat. Normalerweise kommen wegen Mordes Verurteilte doch schon nach 15 Jahren raus, oder?«
    Damit sie gleich den nächsten Mord begehen können, dachte Thann. Wieder so ein Sozialromantiker, diesmal als Yuppie verkleidet.
    »Normalerweise ist relativ. Manche Länder kennen die Todesstrafe. Bei uns gibt es lebenslänglich. Nur bei guter Führung und entsprechenden Resozialisierungschancen gibt es die Möglichkeit der vorzeitigen Begnadigung. Die Möglichkeit, nicht mehr als das.«
    »Wenn einer das verdient

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