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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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zu stellen und sein Ego über das Befinden der anderen, imponierte ihr. Er sprach über seine Musik, und Eva himmelte ihn an. Sie ging auf alle seine Konzerte. Er war so cool. Zu cool. Bald bemerkte sie, dass es nur eines gab, was er wirklich liebte: Heroin.
    Er versuchte, sie zu einem Schuss zu überreden, doch sie weigerte sich. Sie sah, wie er mehr und mehr zum Sorgenkind der Band wurde. Sie wollten sich von ihm trennen. Eva konnte sie dazu überreden, es weiter mit ihm zu versuchen. Je mehr er ihrer Fürsorge bedurfte, desto mehr liebte sie ihn.
    Sie begann, Nacktfotos zu machen, um die Sucht ihres Freundes zu finanzieren. Schließlich ließ sie sich von Udo zu ihrem ersten Pornofilm überreden.
    »Mit Spaß hatte das nichts zu tun, das kannst du mir glauben. Ich überstand das meistens nur mehr oder weniger betrunken. Ich musste mich ständig verrenken und Sachen tun, die ich vorher noch nie getan hatte. Diese Ratte. Ob es mir wehtat oder wie ich mich dabei fühlte, war Udo völlig gleich. Zuerst hatte ich gedacht, im Kino küssen sie sich und im Porno geht man eben nur einen Schritt weiter. Nur eine Art der Schauspielerei. Das war alles Lüge. Keine Hure hat so einen Drecksjob, wie ich ihn tat. Ich brachte das Opfer für meinen Freund. Er war der Einzige, dem es nichts ausmachte.«
    Weil er Heroin mehr liebte als Eva. Eine Woche Dreharbeiten finanzierten zwei Wochen seiner Sucht. Sie machte bei drei Filmen mit. Dann starb ihr Freund. Sie hatten ihm Stoff verkauft, der reiner war als sonst. Nach einiger Zeit erkannte Eva, dass es für sie eine Erleichterung war, und vielleicht auch für ihn.
    Udo lag ihr noch einige Wochen im Ohr. Immer wieder rief er an. Er versprach ihr, sie zum Star der Pornoszene zu machen. Er sprach von Dreharbeiten in einer Luxusvilla in Südfrankreich und nannte immer höhere Gagen, um sie zu locken. Sie legte jedes Mal auf, sobald er sich nur meldete. Dann ließ er sie zwei Jahre lang in Ruhe.
    Irgendwie hatte Udo eines Tages davon erfahren, dass sie ihr Studium abgebrochen hatte und ihr erstes Geld als Anwaltsgehilfin verdiente. Plötzlich begann die Erpressung. Er drohte damit, Polizeipräsident Kurz von ihrer Vergangenheit als Pornodarstellerin zu erzählen. Sie bezahlte viermal. Dann vertraute sie sich Kurz an.
    »Ich sagte Udo, er könne mich mal. Es war eine große Erleichterung für mich. Seitdem rief Udo nur noch zwei oder drei Mal an und quatschte dummes Zeug. Ich ließ ihn jedes Mal abblitzen. Er konnte mir nicht mehr damit drohen, zu Kurz zu gehen, denn ich hatte meinem Adoptivvater alles gebeichtet. Es war mir schwergefallen, aber es hat sich gelohnt. Ich habe gelernt, dass Offenheit der beste Weg ist, Erpresser abzuwimmeln. Zumindest war es in diesem Fall so.«
    »Laut Korfmachers Buchführung ging die Erpressung aber weiter. Nach vier Monaten stieg die Summe sogar aufs Dreifache.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Es stand kein anderer Name in seinem Notizbuch, aber die Zahlungen gingen weiter bis letzten Monat. Kann es sein, dass dein Adoptivvater weitergezahlt hat?«
    »Wie kann ein mieser Erpresser Geld von einem Polizeipräsidenten verlangen?«
    »Ganz einfach: Wenn Sie nicht bezahlen, gehen die Fotos Ihrer Tochter an die Presse.«
    Eva brach in Tränen aus. Mitleid mit dem kranken Kurz und Wut auf ihren Bruder. Thann nahm sie in den Arm. Irgendwann bemerkte er, dass sie eingeschlafen war. Er wagte es nicht, in eine bequemere Stellung zu wechseln.
    Der Sturm hatte seinen Höhepunkt erreicht. Thann hörte Dachziegel zu Boden klirren, und irgendwo schlug ständig eine Tür. In der Ferne jaulte ein Martinshorn auf. Dann ließ der Sturm nach, und es blieb das Prasseln des Regens.
     
     
    37.
     
    Ein neuer Dezembertag. Thann setzte Eva vor dem Eingangsportal des alten, prächtigen Hauses ab, in dem die Kanzlei ihren Sitz hatte. Zuvor hatte er ihr nach viel zu kurzem Schlaf ein Frühstück gemacht, wie es seine Küche noch nicht gesehen hatte. Rührei mit Schnittlauch, Croissants, frisch gepresster Orangensaft und vieles mehr. Liebe geht durch den Magen, hatte seine Mutter früher oft gesagt.
    »Feine Adresse für einen Anwalt«, bemerkte Thann. Er bewunderte die Säulen, die Löwenköpfe aus Gips, die zahlreichen Simse und die ganze Großzügigkeit des Gebäudes mit seinen hohen Decken und großen Fenstern.
    »Heute würden sie solche Häuser nicht mehr abreißen.«
    »Heute gibt es Denkmalschutz. Der Einsatz der Generation deiner Mutter hat sich vielleicht doch

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