Annas Erbe
du was, Thann? Bollmann ist ein Arsch und Fendrich sein Kriecher! Du hättest die Szene vorhin mal miterleben sollen.«
Thann wartete, bis zwei Kollegen auf ihrem Weg zum Selbstbedienungstresen vorbeigegangen waren. Er beugte sich vor und legte Miller die Hand auf den Arm. »Du hast völlig recht. Die suchen nur nach einem Vorwand, dich loszuwerden. Du hast unbequeme Fragen gestellt. Du machst die ganze Verschleppungsarie nicht mit. Du willst wie ich, dass der Fall aufgeklärt wird. Und die wollen das anscheinend nicht. Das war's, und nicht die Zeitung. Wenn die Presse uns ein wenig Druck macht, dann ist das in diesem Fall ganz in Ordnung.«
Und dann verriet ihm Thann einen Teil dessen, was er wusste. Korfmacher, Schneider, der Einbruch, das Album.
Immerhin hatte der Artikel im BLITZ für so viel Wirbel gesorgt, dass sich die Chefs veranlasst fühlten, die Journalisten einzuladen, obwohl sie nichts zu sagen hatten. Es war derselbe Raum wie der am letzten Donnerstag, als der leitende Ermittler noch Karl Thann hieß. Doch diesmal betrat er den Raum von der anderen Seite her, zusammen mit den Presseleuten. Am Kopfende des Raumes saßen der Polizeisprecher und sein Vize sowie Fendrich. Bollmann fehlte.
Dressman Fendrich zog sich geschickt aus der Affäre. Er tat, als ob er fast vor der Ergreifung des Täters stünde. Als arbeiteten weit mehr Beamte als offiziell bekannt an dem Fall. Und als könne er Nachfragen nicht beantworten, weil er die Ermittlungen damit gefährden würde. Die billigste Masche der Polizei im Umgang mit kritischen Fragern. Und an diesem Tag schluckten die Presseleute alles. Thann konnte Fendrichs Glück nicht fassen. Sogar diejenigen Reporter, die in ihrer Zeitung frei vom Leder ziehen durften, waren plötzlich so zahm, dass sie kaum Fragen stellten.
Nach nur zwanzig Minuten war alles vorbei. Stühlerücken, Gemurmel. Die Meute setzte sich in Bewegung zum nächsten Termin.
40.
Der Festakt fand in der Turnhalle statt, dem größten Raum des Präsidiums. Als Thann eintrat, war die Show bereits in vollem Gange.
Marlies Kurz, klein, mollig und in festlichem Kleid, stieg gerade auf die Bühne, um sich vom Innenminister einen Blumenstrauß überreichen zu lassen. Ihr Mann lag noch immer im Krankenhaus. Nach Minister Lemke erhob sich der Oberbürgermeister von seinem Platz auf dem Podium. Auch er ließ es sich nicht nehmen, der Frau des Expräsidenten die Hand zu schütteln. Im Mittelgang und an den Seiten der Bühne standen die Fotografen und ließen ein Blitzlichtgewitter auf die händeschüttelnde Dreiergruppe los. Dann durfte Frau Kurz zu ihrem Platz in der ersten Reihe zurückkehren.
Mehr als zweihundert Menschen saßen in den Stuhlreihen, schätzte Thann. Noch einmal rund fünfzig hatten keinen Sitzplatz gefunden und drückten sich im hinteren Teil der Turnhalle und an den Seiten herum. Er erkannte die Halle, in der er im Winter manchmal Fußball spielte, kaum wieder.
Blumen und Girlanden schmückten die Wände. An der Stirnseite hatten sie den Basketballkorb abmontiert und ein Transparent angebracht, auf dem in etwas zu grellen Farben die Wappen des Landes und der Stadt neben einem überdimensionalen Polizeiabzeichen aufgemalt waren. Auf der improvisierten Bühne stand ein Tisch, an dem jetzt der Innenminister, sein Staatssekretär und der Sprecher des Präsidiums saßen. Zwei Stühle waren frei. Am Rednerpult stand der Oberbürgermeister und referierte über die Stadt im Allgemeinen und die Rolle der Polizei im Besonderen.
Thann drängte sich an den Kollegen vorbei weiter nach vorne. Rund die Hälfte der Anwesenden waren Polizisten, die anderen waren Mitarbeiter des Ministeriums, Journalisten, Vertreter der Stadt und lokale Prominenz. Einer der Fotografen im Mittelgang trug eine helle Weste mit zu vielen Taschen. Er hatte kurze braune Haare, die in alle Richtungen wegstanden. Udo Korfmacher bei einem seiner Jobs. Er bemerkte Thann nicht.
Der Oberbürgermeister hatte sich wieder an seinen Platz auf dem Podium gesetzt. Der Polizeisprecher kündigte den nächsten Star an und rief Bollmann auf die Bühne. An ihm führt jetzt kein Weg mehr vorbei. Harald im Glück. Aus einem Lautsprecher klang Musik, als ginge es um die Oscarverleihung. Mit dynamischen Schritten sprang Bollmann auf die Bühne. Ein blonder Bulle, verkleidet als Schauspielstar. Allein Anzug und Schuhe mochten so viel gekostet haben, wie ein Polizeimeister im Monat verdiente, schätzte Thann. Jubelnder Applaus
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