Annas Erbe
lockte Thann und Miller an. Tommaso und die anderen Kollegen, die bei Korfmacher im Einsatz gewesen waren, standen noch auf ein Bier zusammen. Hier herrschte Schadenfreude, nicht Trübsal.
»Ihr hättet Schneider sehen sollen, nackt mit der Unterhose um die Füße. Sein Gesicht, als wir kamen! Der war vielleicht verdattert!«, berichtete Bönte.
»Und die kleine Kraftschik kniete vor ihm und versuchte gerade, seinen Schniedel hochzukriegen!«, ergänzte Bernhard.
»Die schrie vielleicht, als sie uns sah! Sagt bloß nichts dem Fröhlich, hat sie gesagt. Und ich: Wird sich wohl nicht vermeiden lassen, werte Kollegin.«
Allgemeines Gelächter.
»Aber süß sah die aus. An den Äpfelchen hätte ich auch gern mal genascht!«
»Die Schärfste war diese Blondine, ausnahmsweise keine von uns.«
Bönte und Bernhard überboten sich gegenseitig in der Schilderung der Reize, mit denen die Frau, die Thann bereits am Nachmittag gesehen hatte, die Kollegen schier geblendet haben musste.
»Solche Möpse! Solche Kurven!«
»Und eine Ausstrahlung! Von so was kann Otto Normalverbraucher im Bett nur träumen.«
»Die Muschi hatte sie rasiert! Und geschämt hat sie sich überhaupt nicht. Die lief rum, total nackt und beschimpfte uns. Ein Vokabular hatte die!«
»Und dir wären beinahe die Augen herausgefallen, was, Bönte?«, warf Tommaso lachend ein.
Thann erfuhr, dass die Kollegen den Inhalt des Safes und zahlreiche Unterlagen aus dem Büro beschlagnahmt hatten. Korfmacher war festgenommen und saß in Polizeigewahrsam. Morgen musste man prüfen, was das Material hergab.
Ein erster Sieg. Nur eines bereitete ihm ein ungutes Gefühl: Schneider hatten sie laufen lassen.
Kommissariatsleiter Fröhlich stand in der Tür und nahm Thann zur Seite.
»Ich habe dem Minister Meldung gemacht. Er nimmt die Sache sehr ernst. Er schlägt vor, dass wir eine interne Untersuchungskommission einrichten. Er sorgt sich natürlich um die Reputation der Polizei. Er versucht, den Polizeipräsidenten zu erreichen. Er kennt Bollmanns Ferienhaus bei Nizza. Bis jetzt ist er nicht durchgekommen. Ich hoffe, Bollmann kommt morgen zurück. Der neue Präsident kann in einer solchen Situation unmöglich in den Weihnachtsurlaub gehen. Wir haben morgen eine Sitzung mit dem Minister, hier in meinem Büro um neun, gleich nach der Morgenbesprechung. Ich möchte, dass Sie dabei sind. Sie haben alles ins Rollen gebracht.« Das klang fast wie ein Vorwurf.
Fröhlich, du Weichei, dachte Thann.
Er fuhr durch die Nacht, und die Scheibenwischer quietschten. Das Radio spielte wieder einmal Weihnachtslieder, doch Thann hörte nicht hin. Er ekelte sich vor zu Hause. In der Küche Essensreste, verkrustete Herdplatten und Berge von schmutzigem Geschirr, im Wohnzimmer Bilder von Toten an den Wänden. Er sehnte sich danach abzuschalten. Er sehnte sich nach Alkohol, als er seine vier Wände betrat.
Gerade hatte er eine Flasche Bordeaux geöffnet, die vom Vorabend übrig geblieben war, als es an der Tür klingelte. Es war Eva.
»Was für eine Überraschung!«
»Freust du dich nicht?«
»Doch sehr!«
»In meinem Ratgeber steht, frau soll sich vor allem am Anfang rar machen. Das erhöht den Reiz und das Verlangen des Mannes. Aber wir haben beschlossen, dass im Ratgeber nur Quatsch steht, nicht wahr?«
Sie gerieten in Bewegung wie Verdurstende beim Anblick einer Wasserstelle.
46.
Es war eine Woche vergangen, seit sie Eichs Überreste gefunden hatten. Wieder ein grauer Donnerstagmorgen, einer dieser trübseligen Dezembertage. Regenwetter, was sonst. Während andere das Weihnachtsfest vorbereiteten, jagte Thann Mördern und Pornografen hinterher, üblen Gestalten aus dem eigenen Präsidium und Phantomen aus der Vergangenheit.
Eva war gegen Mitternacht nach Hause gefahren und hatte ihn allein gelassen mit einem wüsten Traum, an den er sich am Morgen nur noch schemenhaft erinnern konnte. Blut war geflossen, sehr viel Blut. Manchmal ängstigte er sich vor den eigenen Träumen mehr als vor allen Mördern und Polizeikollegen der Stadt zusammengenommen.
Es war kurz nach acht, als Thann gemeinsam mit Miller das Büro des Dicken betrat, in dem zur Morgenbesprechung ratlose und unausgeschlafene Kollegen zusammengekommen waren, die auch nicht in besserer Stimmung waren. Die Helden des vergangenen Abends. Zu jedermanns Erleichterung lautete die Schlagzeile im BLITZ nicht: »Die Porno-Polizei«. Anscheinend hatten alle dichtgehalten.
Fröhlich führte das
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