Annas Erbe
Wort. Er war so nervös wie am Abend zuvor und hatte schon wieder seine Brillengläser in Arbeit. »Wir stehen unter Zeitdruck. Heute Mittag, Punkt zwölf hat dieser Fotograf seinen Haftprüfungstermin. Ich kenne den Richter, der heute dafür zuständig ist. Ein verdammter Liberaler. Wir brauchen Beweise. Was macht die Pornosache?«
Tommaso antwortete. Ringe unter den Augen, als hätte er durchgemacht. »Wir fanden das ungeschnittene Material und drei Masterbänder mit verschiedenen Versionen des Materials. Korfmacher gibt an, das Material nicht zu kennen. Er behauptet, er würde das Studio samt Ausrüstung und Schnittplatz häufig an verschiedene Bekannte verleihen. Er habe so viele Schlüssel herausgegeben, dass er gar nicht weiß, wer wann das Studio benutzt.«
»Wir haben die Aussage von Schneiders Frau, die Korfmacher belastet«, warf Thann ein.
»Ein Anwalt rief an und sagte, seine Mandantin zieht die Aussage zurück. Er behauptet, Frau Schneider sei von euch eingeschüchtert worden und habe alle Vorwürfe nur aus Angst bestätigt«, berichtete Bernhard.
»Und die Aussage von Dallas Freundin?«
»Derselbe Anwalt, derselbe Anruf, derselbe Vorwurf.«
»Unglaublich!«
»Was heißt das?«, fragte der Sittenchef ungeduldig.
»Ich finde Korfmachers Ausrede faul wie einen zehnjährigen Apfel. Fragt sich nur, wie es der Richter sieht«, antwortete Tommaso.
Der Dicke fuhr fort: »Nächster Punkt: Erpressung.« Er warf Thann einen Blick zu. Wie kommen Sie auf Erpressung?
»Nun«, begann eine Kollegin, »wir haben eine Liste mit Namen in Zusammenhang mit Fotos, und wir haben entsprechende Kontobewegungen. Es riecht verdammt nach Erpressung. Nur, das Wichtigste fehlt im Moment noch. Nämlich eine Bestätigung der Leute auf der Liste, dass sie erpresst wurden. Eine Anzeige. Seit zehn Minuten klappern zwei Kollegen die Namen ab. Es sind insgesamt 24. In den letzten Jahren hat sich keiner von ihnen über Korfmacher beschwert. Ich hoffe, sie tun es heute.«
»Bernhard, Bönte und Frau Heinrich, Sie machen sich ebenfalls an die Befragung der Leute auf der Liste. Zeit bis Mittag! Verdammt noch mal, das darf doch nicht wahr sein! Hieb- und stichfest haben wir also nur die Steuerhinterziehung! Der Mann hat allein in den letzten vier Jahren weit über eine Viertelmillion auf die hohe Kante gelegt. Von dem, was er versteuert hat, kann das nicht kommen. Ich habe die Kollegen vom Finanzamt verständigt, doch die Steuerhinterziehung reicht als Grund für Untersuchungshaft nicht aus. Dafür ist der Fisch zu klein. Hat noch jemand eine Idee?«
Die Oase. Ein Satz, den Thann unter der Dusche gehört hatte: Erst den Polen den Schweinkram verkaufen und sie dann hopsgehen lassen.
Er meldete sich zu Wort. »Was ist mit den Leuten aus dem Puff, an die er den Schund verkauft hat? Belasten die Korfmacher nicht?«
Fröhlich räusperte sich, bevor er antwortete. »Die haben ausgesagt, die Videos über Chiffreanzeigen in einschlägigen Magazinen erworben zu haben, ohne den Absender zu kennen.«
»Und jetzt sitzen sie in Polen oder Russland und machen Witze über uns«, flüsterte Tommaso Thann zu.
»Abgeschoben, vielleicht ein wenig zu schnell.« Bernhard, von der anderen Seite.
Thann fühlte sich leer, ausgelaugt.
Als er sein Büro betrat, öffnete er erst einmal das Fenster und sog die Stadtluft in seine Lungen. Es war grau und düster draußen. Der Regen machte gerade Pause. Thann spürte, wie die Anspannung an seinen Kräften zehrte. Er hatte Udo Korfmacher, wenn auch nur bis Mittag. Wenn dieser nicht redete, musste er sich an den nächst größeren Brocken wenden, an Schneider. Diesem feinen Kollegen hatte er gestern eins ausgewischt. Das könnte ihn gesprächig machen. Oder auch gefährlich.
Er brach eine neue Weinbrandflasche an und goss sich einen Finger hoch ein. Dann rief er Eva an. »Hallo Liebes, ich möchte dich etwas fragen. Kannst du dir vorstellen, deinen Bruder anzuzeigen, wegen Erpressung? Er hat 24 Menschen ausgequetscht wie dich und deinen Adoptivvater, wahrscheinlich tut er es trotz der Razzia weiterhin. Wenn keiner von ihnen Anzeige erstattet, geht Korfmacher straffrei aus.«
Eva überlegte. Nein, sie habe keine Angst vor den möglichen Folgen einer Anzeige. Sie würde es verkraften, sogar wenn Udo ihre Fotos publik machen würde, erklärte sie. Sie fühlte sich allerdings verpflichtet, zuerst das Einverständnis ihres Adoptivvaters einzuholen, der offensichtlich jahrelang gezahlt hatte. Bei allem Hass,
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