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Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Titel: Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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für ihre siebzehn Jahre. Die Augen waren von starkem Blau, die Brauen goldbraun und leicht gebogen. Das Kinn wirkte energisch, der Mund war gerade und ausdrucksvoll. Das einzige Zarte in diesem Gesicht waren die feinen Nasenflügel, die beben konnten wie bei einem jungen nervösen Tier. Aber man mußte Anne schon gut kennen, um dieses leise Zittern zu bemerken; es zeigte sich immer dann, wenn sie etwas Aufregendes oder Interessantes las, wenn sie sich ganz einer Arbeit hingab, und vor allen Dingen, wenn sie Musik hörte.
    Annes Haar war von der Sonne gebleicht und so seidenweich, daß es sich nicht lockte. Sie hatte es vor einiger Zeit kurz schneiden lassen. Aber das war schon wieder ein Weilchen her, und jetzt hing es ihr fast bis auf die Schultern herab.
    Diese Schultern waren breit, die Hände groß und stark, aber fein in der Form. Jeder, der sie sah, bemerkte sofort die langen, sanften Finger. Ihre helle Haut wurde nie richtig braun. Im Winter war sie fast blaß, aber jetzt im Sommer hatte ihr Gesicht einen zarten, goldenen Schimmer.
    Kristina entdeckte plötzlich, daß Anne schön aussah, wie sie so dastand. Sie trat jetzt ganz in die Stube, in einem gleitenden natürlichen Gang, der niemals vom Asphalt der Straßen, vom Parkett der Stadtwohnungen und von dem modischen Schuhwerk der Stadtmenschen verdorben worden war.
    Frau Aspedal sah sie aufmerksam an, maß sie prüfend mit ihren Blicken. Dann lächelte sie und reichte ihr die Hand. »Du bist also die Anne«, sagte sie.
    Nein, Anne konnte es immer noch nicht glauben. Sie stand auf dem Steg und winkte dem Pfarrboot nach, wie es fjordeinwärts verschwand. Dann senkte sie den Arm und blieb stehen, stumm und etwas ratlos. Aber ihre Augen glänzten, sie hatte ein so merkwürdiges Gefühl im Hals, gerade, als müßte sie jetzt traurig sein, während sie doch am liebsten gejubelt hätte vor Glück.
    Sie setzte sich auf den Rand des Bootsstegs und schaute in die Sonne. Die Wolken segelten nach Süden. Nach Süden... bald würde sie denselben Weg ziehen.
    Ja, sie sollte in die Stadt übersiedeln! Sie sollte in die Schule gehen! Sie sollte bei Frau Aspedal in deren Mädchenzimmer wohnen - umsonst wohnen, umsonst essen! Und das einzige, was sie als Gegenleistung zu tun hatte, war kaum der Rede wert. Sie mußte für Frau Aspedal Einkäufe besorgen, mußte ihr Geschirr aufwaschen und abends, wenn Aspedals ausgingen, die Kinder hüten. Wie gern tat sie das! Wie gern würde sie jeden Morgen mit einem langen Besen über die Fußböden fahren, wie gern würde sie in die Stadt springen, die Läden aufsuchen, waschen, putzen, spülen und sich mit den Kindern abgeben! Das reinste Spiel! Und dafür sollte sie Wohnung und Essen und Schulgeld bekommen! Ja, Frau Aspedal wollte sie auf ihre Kosten ins Gymnasium schicken.
    Bald war es soweit. Bald fuhr sie weit weg. ganz weit weg. Nicht in die kleine Stadt, wo die Pfarrerskinder in die Schule gingen. Nein, in eine richtige Großstadt, eine Stadt mit Straßenbahnen und Kinos, mit Museen, mit vielen Schulen. Und in eine dieser Schulen würde sie gehen.
    Die Anmeldefrist war zwar schon längst verstrichen, aber Frau Aspedal kannte den Direktor, und wenn sie Annes gute Zeugnisse vorlegte, dann klappte es bestimmt noch mit der Aufnahme. Und dann - ja, dann konnte Anne lernen, soviel sie Lust hatte, dann konnte sie das Abitur machen... »Abitur!« sang sie vor sich hin. Es klang wie eine Melodie: »Abitur, Abitur.«
    Und das alles nur, weil Frau Aspedal jemand brauchte, der ihr ein wenig im Hause half, und weil Frau Pastor gesagt hatte: »Ich möchte doch wissen, ob das nicht etwas für die Anne wäre!« Ja, so hatte es angefangen, das hatte Frau Aspedal erzählt.
    Die Sonne verschwand hinter dem Blauspitz. Der Fjord lag schwarzblank und still da. Die Kühle des Sommerabends drang bis nach Möwenfjord hinein.
    Anne blickte in die Ferne. Aber in ihrem Blick lag diesmal keine Sehnsucht. Stattdessen hatte eine zitternde Freude sie gepackt, eine atemlose Erwartung. Die feinen Nasenflügel bebten ein klein wenig, und das merkwürdige Gefühl in ihrem Halse wurde immer stärker. Ja, es wurde so stark, daß es schließlich alles sprengte. Es drängte sich nach oben in Annes Augen, und während ein paar Tränen tropften, biß Anne sich in die Lippe und lachte.
    »Ja, da hast du einen Menschen glücklich gemacht, Gerda«, sagte die Pfarrersfrau, als sie und Frau Aspedal in die Pfarre zurückgekehrt waren und in der Abendsonne auf der Veranda

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