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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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ich zurückkomme, können wir essen.«
    »Hat Mrs Spencer außer dir noch jemand mitgebracht?«, erkundigte sich Marilla, als Matthew hinausgegangen war.
    »Ja, sie selbst will Lily Jones aufnehmen. Lily ist erst fünf Jahre alt und wunderschön. Sie hat nussbraunes Haar. Wenn ich wunderschön wäre und nussbraunes Haar hätte, würden Sie mich dann behalten?«
    »Nein. Wir brauchen einen Jungen, der Matthew bei der Arbeit auf der Farm zur Hand gehen kann. Mit einem Mädchen können wir nichts anfangen. Aber jetzt nimm deinen Hut ab und leg ihn zu deiner Tasche in den Flur.«
    Widerspruchslos tat Anne, was Marilla ihr gesagt hatte. Als Matthew zurückkam, setzten sie sich an den gedeckten Abendbrottisch. Doch Anne konnte nichts essen; vergebens knabberte sie an ihrem Butterbrot und kostete lustlos von dem Apfelkompott in der kleinen Glasschüssel neben ihrem Teller: Es wollte einfach nicht weniger werden. »Du isst ja gar nichts«, sagte Marilla streng und sah sie missbilligend an.
    Anne seufzte. »Ich kann nicht essen, ich bin mit der Welt zerfallen! Könnten Sie etwas essen, wenn Sie mit der Welt zerfallen wären?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich war noch nie mit der Welt zerfallen«, antwortete Marilla.
    »Wirklich noch nie? Und haben Sie sich auch noch nie vorgestellt, Sie wären es?«
    »Nein, auch noch nicht.«
    »Dann können Sie auch nicht verstehen, wie das ist. Es ist ein ziemlich unangenehmes Gefühl, das kann ich Ihnen versichern. Man hat einen riesigen Kloß im Hals und kann einfach nichts herunterschlucken - selbst wenn es ein Karamelbonbon wäre. Vor zwei Jahren habe ich einmal einen Karamelbonbon bekommen, der hat einfach köstlich geschmeckt. Seitdem habe ich oft von Karamelbonbons geträumt, aber ich bin immer ausgerechnet dann aufgewacht, als ich sie gerade in den Mund stecken wollte. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich so wenig esse. Es schmeckt alles sehr, sehr gut; ich kann bloß nicht.«
    »Wahrscheinlich ist sie müde«, sagte Matthew, der seit seiner Rückkehr vom Stall keinen Ton von sich gegeben hatte. »Am besten bringst du sie ins Bett, Marilla.«
    Für den Jungen, den sie eigentlich erwartet hatten, war die Couch in der Kammer neben der Küche gerichtet; für ein Mädchen aber schien Marilla diese Unterkunft doch nicht recht passend zu sein. Das Gästezimmer war für dieses heimatlose Geschöpf allerdings auch nicht das Richtige - blieb also nur das unbenutzte Zimmer im Ostgiebel. Marilla zündete eine Kerze an und ging voraus. Hut und Reisetasche fest in der Hand, folgte ihr Anne die Stufen hinauf.
    Oben stellte Marilla die Kerze auf einen kleinen, dreieckigen Tisch und schlug die Bettdecke zurück.
    »Ich nehme an, du hast ein Nachthemd dabei?«, fragte sie.
    Anne nickte. »Ja, ich habe zwei. Die Schwester im Waisenhaus hat sie für mich genäht. Sie sind bloß fürchterlich kurz. In einem Waisenhaus ist der Stoff immer knapp - jedenfalls in einem so warmen Waisenhaus wie unserem. Ich hasse kurze Nachthemden. Aber schließlich kann man in ihnen genauso gut träumen wie in langen.«
    »Also, zieh dich schnell aus und geh ins Bett. Ich komme in ein paar Minuten zurück, um die Kerze zu holen, damit du nicht noch das Haus in Brand setzt.«
    Als Marilla gegangen war, sah sich Anne traurig um. Die weiß gekalkten Wände sahen schrecklich nackt und kalt aus. In der einen Ecke des Zimmers stand das altmodische Bett mit vier langen, dunklen Pfosten, in der anderen Ecke war der Tisch mit einem Stuhl, darüber hing ein kleiner rechteckiger Spiegel, in der Mitte zwischen Tisch und Bett befand sich das Fenster, gegenüber der schlichte Waschtisch. Der ganze Raum war von einer solchen Kälte und Strenge, dass Anne bis ins Mark erschauerte. Hastig warf sie ihre Kleider ab, streifte sich das kurze Nachthemd über und sprang mit einem Satz in das große Bett, wo sie ihr Gesicht im Kopfkissen vergrub und die Bettdecke fest über sich zog. Als Marilla später heraufkam, um die Kerze zu holen, deuteten nur die unordentlich über den Fußboden verstreuten Kleidungsstücke und das zerwühlte Bett daraufhin, dass überhaupt jemand im Zimmer war.
    Langsam hob Marilla Annes Kleider auf, legte sie ordentlich auf dem Stuhl zusammen und ging dann mit der Kerze in der Hand auf das Bett zu.
    »Gute Nacht«, sagte sie etwas verlegen, aber keineswegs unfreundlich.
    Plötzlich erschien Annes blasses Gesicht mit den großen Augen über der weißen Bettdecke. »Wie können Sie von einer >guten<

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