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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Kinder haben wollte, als im Moment schon hier sind. Eins wirft schon genug Probleme auf. Ich habe keine Ahnung, was wir mit dir machen sollen. Matthew ist schon ein seltsamer Mensch.«
    »Ich finde ihn wunderbar«, erwiderte Anne. »Er hat so viel Mitgefühl! Es macht ihm gar nichts aus, dass ich so viel rede — es scheint ihm sogar zu gefallen. Matthew ist eine verwandte Seele - das wusste ich vom ersten Augenblick an.«
    »Ihr seid beide ein bisschen verschroben, wenn du das mit deiner Seelenverwandtschaft meinst«, entgegnete Marilla seufzend. »Ja, du kannst das Geschirr spülen. Nimm reichlich heißes Wasser und trockne hinterher ordentlich ab. Ich habe genug zu tun heute Morgen. Am Nachmittag muss ich ja nach White Sands hinüberfahren, um mit Mrs Spencer zur reden. Du kommt am besten mit, dann können wir gleich sehen, wie es weitergeht. Wenn du mit dem Geschirr fertig bist, gehst du nach oben und machst dein Bett.«
    Anne erledigte den Abwasch recht geschickt, wie Marilla, die die ganze Zeit über ein scharfes Auge auf sie hielt, bald bemerkte.
    Später machte sie ihr Bett, wobei sie allerdings weniger erfolgreich war, denn mit dicken Federbetten hatte sie bisher noch nie zu tun gehabt. Doch nach einigen Mühen war auch das geschafft und Marilla, die Anne loswerden wollte, sagte, sie solle nach draußen gehen und bis zum Mittagessen im Garten spielen.
    »Aber... ich möchte, glaube ich, lieber nicht hinausgehen«, erklärte Anne im Tonfall eines Märtyrers, der allen irdischen Freuden entsagt hat. »Wenn ich sowieso nicht hier bleiben darf, möchte ich Green Gables nicht zu sehr ins Herz schließen. Und wenn ich erst einmal draußen bin und alle Bäume und Blumen im Garten und den kleinen Bach besucht habe ... Schöne Dinge muss man ja einfach lieb gewinnen. Deshalb war ich auch so froh, dass ich gehört habe, dass ich hier leben sollte. Ich dachte, dann würde es so viele Dinge geben, die ich lieb haben könnte, und nichts könnte mich mehr davon abhalten. Doch dieser Traum ist nun vorüber. Ich ergebe mich in mein Schicksal. Es ist besser, wenn ich nicht hinausgehe, sonst ergebe ich mich ihm am Ende dann doch nicht. Wie heißt eigentlich die Blume auf dem Fenstersims, Miss Cuthbert?«
    »Das ist eine Geranie.«
    »Nein, diese Art von Namen meine ich nicht. Ich meine den Namen, den Sie ihr gegeben haben. Oder haben Sie ihr noch gar keinen gegeben? Darf ich es dann tun? Ich könnte sie . .. mal sehen . . . ja, ich könnte sie >Bonny< nennen, solange ich hier bin. Darf ich? Ach, bitte!«
    »Von mir aus. Aber was um alles in der Welt soll es für einen Sinn haben, einer Geranie einen Namen zu geben?«
    »Oh, ich finde es schön, wenn alle Dinge einen eigenen Namen haben, auch wenn es nur Geranien sind. Vielleicht ist die Geranie außerdem schrecklich gekränkt, wenn man sie einfach >Geranie< nennt und sonst nichts. Ihnen würde es doch auch nicht gefallen, wenn man Sie nur >Frau< nennen würde, oder? Ja, ich werde sie >Bonny< nennen. Für den Kirschbaum vor meinem Fenster habe ich auch schon einen passenden Namen gefunden: >Schneekönigin<. Natürlich kann er nicht das ganze Jahr über weiße Blüten tragen, aber man kann es sich ja immer vorstellen, nicht wahr?«
    »So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt«, murmelte Marilla vor sich hin, als sie sich in den Keller zurückzog, um Kartoffeln zu holen. »Irgendwie ist sie tatsächlich interessant, da hat Matthew schon Recht. Langsam bin ich selbst gespannt, was sie wohl als Nächstes sagen wird. Wenn es so weitergeht, wird sie mich auch noch verhexen. Matthew hat sie ja schon voll in ihren Bann gezogen. Dieser Blick, den er mir beim Hinausgehen heute Morgen zugeworfen hat! Ich wünschte, er wäre wie andere Männer und würde die Sache ausführlich mit mir besprechen, dann könnte ich ihn mit Worten wieder zur Vernunft bringen. Aber was soll man mit einem Mann machen, der einem nur Blicke zuwirft?«
    Als Marilla vom Keller zurückkehrte, war Anne schon wieder in ihre Träume versunken. Den Kopf in die Hände gestützt, die Augen auf den Horizont geheftet, saß sie am Fenster. Erst als Marilla sie zum Mittagessen rief, wachte sie wieder auf.
    »Kann ich heute Nachmittag die Stute und den Einspänner haben, Matthew?«, fragte Marilla, als sie zu dritt am Tisch saßen.
    Matthew nickte und sah wehmütig zu Anne hinüber. Marilla fing seinen Blick auf und sagte ärgerlich: »Ich werde mit Anne nach White Sands hinüberfahren und die Angelegenheit

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