Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
Vom Netzwerk:
die Küche zurück. »Anne, die Brosche ist weg, und du warst die Letzte, die sie in der Hand hatte. Also sag mir jetzt, was du damit getan hast. Und vor allem: Sag mir die Wahrheit! Hast du sie mit nach draußen genommen und dort verloren?«
    »Nein«, antwortete Anne und sah dabei Marilla fest in die Augen. »Ich habe die Brosche nicht mit aus deinem Zimmer genommen, das ist die Wahrheit, auch wenn man mich dafür zum Richtblock schleifen würde - obwohl ich nicht so genau weiß, was ein Richtblock ist... Da wär’s, Marilla.«
    Dieses >das wär’s< war von Anne lediglich als Bekräftigung gemeint, aber Marilla verstand es als Ausdruck von Trotz und Verstockheit. »Du sagst die Unwahrheit, Anne«, entgegnete sie schroff. »Deshalb will ich jetzt auch nichts mehr hören. Du gehst in dein Zimmer und bleibst so lange dort, bis du bereit bist, ein Geständnis abzulegen.«

13 - Ein fragwürdiges Geständnis
    An jenem Abend versah Marilla ihre Aufgaben im Haushalt wie gewöhnlich, konnte jedoch keine innere Ruhe finden. Sie machte sich Sorgen um ihre wertvolle Brosche. Wenn Anne sie verloren hatte, würde man sie womöglich nie mehr wieder finden. Wie konnte die Kleine nur so ungezogen sein, den Diebstahl zu leugnen! Es war doch sonnenklar, dass sie die Brosche genommen haben musste! Und was für eine Unschuldsmiene sie dabei aufgesetzt hatte ... Hätte sie doch wenigstens die Wahrheit gesagt, dann wäre alles nur halb so schlimm gewesen. So aber war Anne eine Diebin und obendrein noch eine Lügnerin!
    Mehrmals am Abend ging Marilla in ihr Zimmer hinauf und durchsuchte es noch einmal nach ihrer Brosche — vergebens. Auch eine weitere Befragung im Ostgiebel brachte keine neuen Ergebnisse. Anne stritt weiterhin ab, mehr über die Brosche zu wissen, als sie schon gesagt hatte, aber das machte Marilla nur noch misstrauischer.
    Am nächsten Morgen erzählte sie Matthew, was vorgefallen war. Er konnte sich allerdings auch keinen Reim auf die ganze Geschichte machen. Er traute Anne nichts Böses zu, musste aber eingestehen, dass die Tatsachen gegen sie sprachen.
    »Und du bist sicher, dass die Brosche nicht hinter die Kommode gefallen ist?« Das war die einzige Möglichkeit, die ihm noch einfiel. »Ich habe die Kommode von der Wand abgerückt, die Schubladen herausgezogen und wirklich überall nachgeschaut«, antwortete Marilla. »Die Brosche ist verschwunden und das Kind hat sie genommen und mich angelogen. Das ist nun mal die bittere Wahrheit, der wir ins Auge schauen müssen, Matthew Cuthbert.«
    »Hm, tja ... und was willst du jetzt tun?«, fragte er mit tonloser Stimme, insgeheim froh, dass Marilla und nicht er für Annes Erziehung verantwortlich war; diesmal hatte er nicht die geringste Lust sich einzumischen.
    »Sie wird so lange in ihrem Zimmer bleiben, bis sie gesteht«, sagte Marilla, die sich noch gut daran erinnern konnte, dass diese Methode in einem früheren Fall einmal erfolgreich gewesen war. »Dann werden wir ja sehen. Vielleicht könnten wir die Brosche sogar wieder finden, wenn Anne uns bloß sagen würde, wohin sie sie mitgenommen hat. Auf jeden Fall hat die Kleine eine empfindliche Strafe verdient, Matthew.«
    »Hm, dann musst du sie bestrafen, Marilla«, sagte Matthew und griff nach seinem Hut. »Ich habe nichts mit ihrer Erziehung zu tun. Das hast du selbst gesagt.«
    Marilla fühlte sich von allen im Stich gelassen. Sie konnte noch nicht einmal zu Mrs Lynde gehen und sie um Rat bitten. Mit ernstem Gesicht stieg sie ein letztes Mal zu Anne in den Ostgiebel hinauf, doch Anne blieb beharrlich bei ihrem früheren Standpunkt. Sie hatte offensichtlich geweint. Marilla empfand so etwas wie Mitleid, unterdrückte die Regung jedoch sogleich wieder.
    »Du bleibst hier oben, bis du bereit bist zu gestehen, Anne. Überleg es dir gut«, sagte sie mit fester Stimme.
    »Aber morgen ist das Picknick, Marilla«, schluchzte Anne. »Du wirst mich doch nicht hier einsperren wollen, oder? Lass mich nur für den Nachmittag gehen, bitte! Dann bleibe ich hier, solange du willst. Aber ich muss zu diesem Picknick gehen!«
    »Du gehst weder zum Picknick noch sonst wohin, solange du nicht gestanden hast, Anne.«
    »Bitte, Marilla!«
    Aber Marilla war schon hinausgegangen und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
    Am Mittwochmorgen strahlte die Sonne so warm, als wüsste sie, dass heute das große Picknick stattfinden sollte. Kein Wölkchen stand am Himmel. Die weißen Lilien verströmten ihren süßen Duft und die Vögel

Weitere Kostenlose Bücher